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Staubige Hölle

Staubige Hölle

Titel: Staubige Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Smith
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eines Kameldornbaums. Auf einem Stein balancierte ein Transistorradio, aus dem Zulu-Chormusik plärrte. Fünf alte Männer kauerten im Dreck, spielten marabaraba mit Kronkorken auf einem zerknitterten Pappquadrat.
    Als Zondi sich näherte, stieß der Älteste von ihnen ein zahnloses gackerndes Lachen aus und strich mit einer schwieligen Hand Geld vom Spielbrett ein. Er sah zu Zondi auf. »Ein Haarschnitt, mein Sohn?«
    Â»Ja, Großvater.«
    Der alte Mann ließ die Münzen in seine Tasche gleiten und wuchtete sich hoch. Die alten Knochen klagten wie Grillen in der Nacht. Er trug ein schmutziges blaues Hemd, eine Khakihose und Sandalen aus Autoreifen. Lange gelbe Zehennägel bogen sich bis fast in den Sand. Sein weißes Haar war ein wenig schütterer, und sein Gesicht war furchiger, ansonsten sah er noch genauso aus wie in Zondis Kindheit.
    Der Friseur zeigte auf den Stuhl. »Setz dich.« Zondi nahm Platz. Der alte Mann schüttelte ein Betttuch aus, ausgefranst und zerrissen, und drapierte es über Zondis Schultern. »Kommst du aus Durban?«
    Â» Egoli , Großvater.« Egoli . Stadt des Goldes. Johannesburg. »Aber geboren bin ich hier.«
    Â»Und wer ist dein Vater?«
    Â»Er war Solomon Zondi.«
    Â»Aaah, ja. Ja. Ich habe ihm immer die Haare geschnitten, vor vielen, vielen Jahren.«
    Â»Ich erinnere mich, Großvater.«
    Der Friseur strich mit einer Hand über Zondis gepflegtes Haar. »Was brauchst du, Junge?«
    Â»Ein cheesekop .« Käsekopf. Rasiert.
    Â»Hast du einen Verlust erlitten, mein Sohn?«
    Â»Ja. Ich habe jemanden verloren.«
    Der alte Mann legte einen Moment die Hand auf Zondis Schulter, dann nahm er die manuelle Haarschneidemaschine und machte sich daran, Zondis Haar auszudünnen. Zondi hörte dem Radio zu. Liebliche Stimmen sangen von Gott. Nebenher schnappte er Gesprächsfetzen der alten Spieler auf. Sie sprachen über Inja. Einer von ihnen sagte: »Er brennt immer noch, der Kerl. Dort, wohin er gegangen ist.«
    Gebe Gott! , dachte Zondi.
    Der alte Mann legte die Haarschneidemaschine auf den Felsblock neben dem Radio und hielt ein Gefäß mit einer Paste und einen Pinsel neben Zondis Kopf. Zondi spürte die kühle Rasiercreme auf dem Schädel. Der Friseur zog ein gerades Rasiermesser an einem Streichriemen ab, der an einem niedrigen Ast des Dornbaums befestigt war. Er ragte über Zondi auf und entfernte mit einer geschmeidigen Bewegung einen Streifen Rasiercreme und Haare. Zondis Schädel glänzte.
    Zondi war nicht sicher, warum er das tat. Er brauchte keinen Haarschnitt. Und falls er es im Namen eines Rituals machte, dann hielt er sich nicht an das gebotene Zeitraster. Wenn Afrikaner trauern, rasieren sie sich den Kopf, richtig, aber erst am Tag nach der Beerdigung. Das hängt mit dem Glauben zusammen, dass das Leben in den Haaren konzentriert ist. Sie zu rasieren symbolisiert den Tod, und das Nachwachsen symbolisiert einen neuen Lebenszyklus.
    Zum Teufel damit, er würde das jetzt durchziehen. Selbst wenn er einen Tag zu früh dran war. Er brauchte einen Neuanfang.

Kapitel 78
    Es war der Morgen von Dells Geburtstag, und er lag allein im Bett, die Laken noch warm vom Körper seiner Frau. Er setzte sich auf und sah hinaus in die Sonne, während sich die letzten Reste eines Alptraums über seinen Vater wie Rauch auflösten.
    Das Lachen seiner Kinder in der Küche trieb Dell aus dem Bett. Er zog ein Hemd über seine knochigen Schultern und schlüpfte in eine Levis. Barfuß verließ er den Raum, der Steinfußboden noch kalt von der Nacht.
    Dell ging den Flur hinunter, vorbei an Rosies Studio. Eines ihrer riesigen abstrakten Gemälde lehnte an der Wand. Unvollendet. Vor einem Jahr aufgegeben. Er betrat die Küche, auf dem Tisch türmten sich Geburtstagsgeschenke, eingepackt in buntes Papier und mit Bändern. Die Zwillinge stürmten auf ihn zu und fielen über ihn her, stiegen an Dells großer Gestalt hinauf, als wäre er ein Klettergerüst. Er wirbelte sie herum, und sie lachten.
    Rosie stand in der Tür, trug eines von Dells alten T-Shirts und eine Jogginghose. Ihre Augen straften ihr Lächeln Lügen. Er ließ die Zwillinge zu Boden. Sie stellten sich zu seiner Frau. Dann sangen sie »Happy Birthday« für ihn, er musste mit den Tränen kämpfen. Sie war einfach so gottverdammt schön, seine Familie.
    Dell umarmte die Zwillinge und

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