Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
wieder aus dem Schutz der Häuser lösten, konnte Steel sehen, dass die Franzosen wie besessen nachluden, hatten sie doch Steels Absicht durchschaut. Die meisten der weiß uniformierten Männer hatten ihre Munition im Lauf und stopften sie mit den Ladestöcken nach unten.
Steel wusste, dass ihnen nicht mehr als fünf Sekunden blieben. Mit hämmerndem Herzen rannte er los und machte so lange Schritte wie irgend möglich. Während er über die Pflastersteine auf die französische Stellung zurannte, spürte er, dass seine Kameraden ihm folgten, trotz der langen und eher hinderlichen Uniformröcke.
»Mir nach, Männer! Lauft, lauft, packt sie euch. Stürmt!«
Dreißig Franzosen legten an. Zwei von ihnen schossen. Eine Kugel traf einen britischen Grenadier mitten ins Gesicht. Blutüberströmt sank er zu Boden, mit zertrümmerter Nase und zerfetzter Stirnpartie. Aber die anderen Soldaten der Grenadiers Rouge waren den Bruchteil einer Sekunde zu langsam. Steel machte einen Satz nach vorn, überwand die Mauer und prallte gegen zwei französische Infanteristen, die ihre Gewehre hochgerissen hatten. Er hörte Schüsse, die jedoch über die Köpfe der Angreifer hinwegfegten. Denn die Rotröcke hatten die Mauer überwunden, und in diesem Augenblick wusste Steel, dass es auf zwei Dinge ankam: Auf den geschickten Umgang mit der Klinge – ob nun Degen oder Bajonett – und auf die verdammte Körperkraft.
Steel entschied sich für Letzteres und gab vor, im Zweikampf mit einem französischen Offizier die en garde -Position einzunehmen. Der Mann sah ihn an und grinste, ehe er formvollendet den Fechtgruß entbot. Steel erkannte den Offizier wieder: Es war der Mann, den er bereits bei den Gabionen am Schellenberg gesehen hatte. Dieser Mann hatte auch das Kommando in Sattelberg innegehabt.
Bei Gott, einen kaltblütigen Mörder, der Frauen und Kinder auf dem Gewissen hatte, würde er nicht grüßen. »Du heidnischer Bastard«, fluchte Steel.
Anstatt sich auf die Schrittfolge eines formalen Degenkampfes einzulassen, machte Steel sofort einen Satz nach vorn und überraschte den Mann mit einem einzigen Stoß. Die Klinge verfehlte den Oberschenkel des Franzosen zwar knapp, doch Steel hatte so viel Schwung, dass er mit seinem ganzen Gewicht gegen den Mann prallte. Der Offizier taumelte zurück in seine Soldaten, erholte sich jedoch rasch von dem Angriff und stürzte sich auf Steel. Dieser konnte die Klinge eben noch abwehren, aber da der Franzose nachstieß, erwischte er Steel mit dem Griff des Degens am Kinn. Steel flog zurück und prallte gegen Slaughter und zwei weitere Grenadiere, die es mit drei Franzosen aufgenommen hatten.
Steel sank auf ein Knie. Ihm brummte der Schädel. Dann rieb er sich das Kinn, schaute auf und sah, dass der Offizier zum Schlag ausholte – nicht mit einem gewöhnlichen Degen, sondern mit einem schweren Kavalleriesäbel, der eigens dafür gemacht war, tiefe Wunden zu reißen. Steel hielt den eigenen Degen noch rechtzeitig waagerecht hoch und parierte die Wucht des Schlages mit seiner langen, glänzenden Degenklinge. Der Säbel hinterließ eine Scharte in der Schneide, durchschlug die Klinge aber nicht.
Der Mann ist gut, dachte Steel. So gut wie Jennings. Aber auch so gut wie er? Sowie er an den verhassten Major dachte, fiel ihm sein Vorhaben wieder ein. Es ging um mehr als nur eine gewonnene Schlacht. Sosehr er den Franzosen auch verabscheute, Steel erkannte, dass jetzt nicht die Zeit für einen langen Fechtkampf war. Aber der Offizier setzte erneut nach. Diesmal schwang er den Säbel von unten nach oben, und Steel konnte sich nur mit einem Sprung nach hinten retten. Die Klinge sauste um Haaresbreite an seiner Brust vorbei. Im Gegenzug wich Steel seitlich aus, täuschte einen Angriff auf der linken Seite des Mannes vor, riss den Degen gekonnt nach rechts und streifte den Offizier an der Schulter. Links und rechts von Steel benutzten seine Männer inzwischen die Musketen als Keulen und zogen ihre kurzen Infanteriesäbel.
Da Steel keine Möglichkeit sah, sich dem Gefecht zu entziehen, blieb ihm nur der Angriff. Aber gerade als er ansetzte, trat ein hünenhafter französischer Grenadier neben den Kommandeur und stieß mit dem Bajonett nach Steels Bauch. Steel schlug die Stichwaffe zur Seite und wehrte kurz darauf den Säbel des Offiziers ab, der auf Steels Brust zielte. Allmählich wurde ihm die Sache zu heiß. Steel wich einen halben Schritt zurück und sah, wie Slaughter einem Franzosen mit dem kurzen
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