Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
Henry Hansam von Farquharsons Regiment. Ich kann mir sehr gut denken, Colonel, dass Ihr Euch zu Recht fragt, was hier vor sich geht, und das wird Euch auch niemand verdenken. Was Ihr hier seht, Colonel, ist rasch erklärt. Denn Lieutenant Steel hier, Sir, hat Major Jennings die Vorzüge des schweren Degens im Vergleich zum leichteren Infanteriedegen demonstriert.«
Mit diesen Worten entwand er Steel den Degen und reichte dem Colonel die Waffe.
»Denn um diesen Degen geht es, Sir. Eine Königin unter den Klingen, möchte man fast sagen, würdet Ihr mir zustimmen?« Hansam hielt den Griff des Degens dichter vor das Gesicht des Colonels, als wollte er ihn ermuntern, sich die Waffe genauer anzusehen. »Sie wurde von Ferrara hergestellt, Sir, seht Ihr?«
Doch der Colonel schenkte dem Degen keine Beachtung. Er heftete seinen stechenden Blick auf Steel. »Lieutenant, vielleicht wärt Ihr so nett, mir selbst zu erklären, was hier vor sich geht. Euch wird doch bewusst sein, welche Strafe auf das Duellieren steht, nicht wahr? Insbesondere bei Offizieren der Armee Ihrer Majestät während eines Feldzuges. Und wie man sieht, ist Blut geflossen.«
Steel schaute kurz auf seinen Arm. Der Stoff seines Hemdes hatte sich um den Riss tiefrot gefärbt. »Ja, Sir, es ist mir bewusst.«
»Euch droht ein Kriegsgericht, Sir, bei dem Euch beim höchsten Strafmaß der Tod erwartet.«
Der Colonel wandte sich erst jetzt Jennings zu. »Und Ihr, Major Jennings. Ihr seid doch Major Jennings, nicht wahr? Auch Ihr solltet es besser wissen.«
»Ich … Colonel …« Stammelnd rang Jennings sich eine Erklärung ab. »Ich wurde provoziert, Sir.«
»Das mag ja sein, Major. Aber Ihr seid der ranghöhere Offizier hier, oder etwa nicht?«
Die jüngeren Offiziere versuchten, mit den Schatten an den Wänden der Schankstube zu verschmelzen. Aber der Colonel wartete Jennings’ Antwort gar nicht erst ab, als er sagte: »Steckt Euren Degen weg, Sir, und dann belassen wir es dabei. Aber was machen wir mit Euch, Mr. Steel? Ich halte es für das Beste, wenn Ihr mit mir kommt. Euren Degen, wenn ich bitten darf, Lieutenant.«
Steel nahm Hansam den Degen ab, drehte die Waffe so, dass er die Klinge in der Hand hatte, und hielt dem Colonel den Griff hin. Der Offizier bedeutete derweil zwei Soldaten, direkt hinter dem Delinquenten zu bleiben, und ging zuerst aus der Schänke, unmittelbar gefolgt von Steel und Hansam. Die übrigen Rotröcke verließen nun ebenfalls geordnet das Wirtshaus. Steel rechnete mit dem Schlimmsten. Jennings würde vermutlich von jeder Schuld freigesprochen. Da er mit Farquharson verwandt war und über Verbindungen in die höchsten gesellschaftlichen Kreise verfügte, würde er ungeschoren davonkommen. Ein Mann wie Jennings konnte sich fast alles herausnehmen – vielleicht nur nicht, den Kommandeur zu töten. Steel hingegen war bloß ein Lieutenant von niederer Herkunft und verfügte weder über Ländereien noch finanzielle Mittel. Vielleicht würde man an ihm ein Exempel statuieren, in einer Armee, in der nur die härtesten Sanktionen einen Präzedenzfall schufen.
Draußen, auf der übel riechenden Straße, mischten sich die vorsichtigen Einwohner im leichten Nieselregen unter die Soldaten. Straßenverkäufer und Händler versuchten angesichts des unerwarteten Anstiegs der Kundschaft ihre Waren feilzubieten. Während ein Trupp rot uniformierter Dragoner an Steel und den Soldaten vorbeistapfte, die soeben die Taverne verließen, beobachtete Steel, wie ein dünner Straßenlümmel einem Soldaten etwas aus der Tasche stibitzte.
Der Colonel drehte sich in diesem Augenblick zu Steel um und schenkte ihm ein breites Grinsen. Steels Erstaunen nahm noch zu, als der Colonel der Eskorte bedeutete, sie allein zu lassen. Schließlich gab er Steel den breiten Degen zurück und sprach in unerwartet freundlichem Tonfall.
»Tut mir leid, wenn ich Euch erschreckt habe, Mr. Steel. Bitte um Vergebung. Vielleicht bin ich aber auch genau im richtigen Moment in die Taverne gekommen.«
Er betrachtete Steels Verletzung am Arm. »Ihr hättet ganz schön in Schwierigkeiten kommen können. Die Wunde solltet Ihr untersuchen lassen. Erlaubt mir, dass ich mich vorstelle. Hawkins. Colonel James Hawkins, zuvor Colonel Hamiltons Regiment, seither dem Generalstab der Alliierten zugeordnet.«
Steel hatte schon von diesem Colonel Hawkins gehört und wusste, dass der Mann einen guten Ruf genoss, sowohl auf dem Schlachtfeld als auch außerhalb. Man erzählte sich,
Weitere Kostenlose Bücher