Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
so rasch wie möglich den Weg hinunter zum Fluss zu nehmen. Dort unten müssen die Brücken angelegt werden.« Er deutete in Richtung Oudenaarde. »Beeilung, Mann! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Während der junge Offizier davonsprengte, spähte Cadogan erneut durch sein Fernrohr hinüber zu den Hügeln auf der anderen Seite des Tals und fragte sich, ob ihn nicht womöglich in diesem Moment ein feindlicher Offizier beobachtete und die Absichten der Engländer erahnte. Er wusste, dass auch die Franzosen Streit suchten. Cadogan war zudem bewusst, dass Marlborough in diesem Krieg keinen Sieg so dringend benötigte wie jetzt.
Das zurückliegende Jahr hatte einen schrecklichen Verlauf genommen. Die meiste Zeit über hatte die große Armee mit Belagerungen zugebracht. Die Niederländer hatten darauf bestanden und behauptet, es wäre die einzige Möglichkeit, der Lage Herr zu werden. Marlborough, das wusste Cadogan, war machtlos ohne die Unterstützung der Niederländer. Natürlich hatte der Herzog sich in den zurückliegenden Monaten nicht dem Müßiggang hingegeben. Tat er das je? Er hatte einen Plan ausgearbeitet, um Prinz Eugens Truppen in Südfrankreich landen zu lassen, genauer gesagt bei Toulon. Ein kühnes Vorhaben, fürwahr. Zu kühn – der Plan hatte sich nicht verwirklichen lassen.
Doch zur Abwechslung waren es einmal nicht die Niederländer gewesen, die den Plan vereitelt hatten. Der habsburgische Kaiser persönlich hatte sich gegen das Vorhaben verwahrt. Es hieß, der Kaiser wünsche Friedensverhandlungen mit den Franzosen. Verhandlungen mit dem Sonnenkönig? Sowohl Cadogan als auch Marlborough waren verblüfft gewesen. Zugegeben, dieser Krieg hatte sich inzwischen bis ins sechste Jahr gezogen. Europa lag brach, der Kontinent drohte in Blut unterzugehen. Keiner der englischen Generäle war bereit, dieses Gemetzel fortzuführen. Aber selbst den Männern, die über keine großen militärischen Kenntnisse verfügten, war bewusst, dass die Franzosen erst mit einem Sieg in die Knie gezwungen werden mussten, ehe sie die Bedingungen eines Waffenstillstandes akzeptieren würden.
Dann, im Juli, hatte das Unheil seinen Lauf genommen, als die Armee von General Henri de Massue, des Grafen von Galway, bei Almansa in Spanien aufgerieben worden war. Seither war die Iberische Halbinsel so gut wie verloren. Ein Umstand, der nach Marlboroughs Triumphen in den Spanischen Niederlanden kaum für möglich gehalten worden war. Eine Armee unter britischer Führung war in die Flucht geschlagen worden: Die Hälfte der Soldaten tot oder in Gefangenschaft. Schlussendlich, es war kaum eine Woche her, da hatten die Franzosen die strategisch wichtigen Städte Gent und Brügge erobert. Genauer gesagt: Der Verrat der flämischen Bevölkerung hatte zum Verlust dieser Städte geführt.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass etwas an den Gerüchten war, hier zeigte es sich: Die Flamen wurden der Alliierten und des großen englischen Generals allmählich überdrüssig und waren sogar bereit, sich wieder freiwillig der französischen Herrschaft zu beugen. Die Folge dieses Treuebruchs war, dass sowohl die Nachrichtenwege als auch die Nachschubwege der alliierten Armee von England aus in Gefahr waren.
Cadogan löste sich von diesen düsteren Gedanken und wandte sich an einen beleibten Colonel mit freundlichem, gerötetem Gesicht. »Sagt mir, Colonel Hawkins. Wie denkt Ihr über unsere missliche Lage?«
»Mylord, unsere Chancen stehen gut, die Franzosen hier festzunageln. Und sollte es uns gelingen, sie in ein Gefecht zu verwickeln, so habe ich keine Zweifel, dass wir auch dieser Aufgabe gewachsen sein werden.«
Der Graf nickte. »Colonel, Ihr missversteht. Ich würde gerne wissen, wie Ihr über den Feldzug als Ganzes denkt. Ihr wisst ja, dass die Franzosen unter Führung von Vendôme sich jenseits des Kanals von Brügge zurückgezogen haben. Obwohl wir sie taktisch im Griff haben, zumindest einen Teil ihrer Truppen, die wir hier sehen, stehen sie strategisch betrachtet in unserem Rücken. Euch ist zudem bewusst, dass unsere Späher aus sicherer Quelle erfahren haben, dass eine Armee unter Marschall Berwick auf dem Weg ist, um sich den Soldaten Vendômes anzuschließen.«
»Wenn das der Fall ist, Mylord, dann müssen wir mit aller gebotenen Schnelligkeit dafür sorgen, Vendôme im Gefecht zu stellen. Denn es besteht wenig Hoffnung, dass wir gegen beide Armeen erfolgreich sind.«
»Ganz recht. So beabsichtigt es auch
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