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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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drohte ihm das Gehirn zu zersprengen.
    Bis zu einem Hause am Wege schleppte er sich noch fort. Mit letzter Kraft warf er den knorrigen Wanderstab gegen die Tür und bat die öffnende Frau mit trockener und fast unhörbarer Stimme um einen Trunk. Dann brach er ohnmächtig über der Schwelle zusammen.
    Als er wieder zur Besinnung erwachte, fühlte er wieder sichere und frische Kraft in seinen Gliedern. Er fand sich in einem kleinen Raum von wohltuender Kühle auf einem Ruhebette ausgestreckt. Und überall die Spuren einer mildtätig-sorglichen Hand; sein glühender Körper war mit Essig gewaschen worden und sorgfältig gesalbt, und neben seinem Lager stand noch das Gefäß, aus dem man ihn gelabt.
    Sein erster Gedanke galt der Zeit, und er sprang rasch vom Lager, um nach der Sonne zu sehen. Die stand noch hoch, denn es war erst früher Nachmittag, so daß er wenig Zeit versäumt hatte. In diesem Augenblicke trat die Frau ins Zimmer, die ihm früher das Tor geöffnet. Sie war noch jung und dem Aussehen nach eine Syrierin; wenigstens hatten ihre Augen jenen dunklen raubtierartigen Glanz der Frauen dieses Volkes, und ihre Hände und Ohrgehänge verrieten die kindliche Freude am Schmuck, die allen diesen Frauen eigen ist. Ihr Mund lächelte leise, als sie ihm Willkommen in ihrem Hause bot.
    Er sagte ihr warmen Dank für ihre Gastfreundschaft, wagte es aber nicht, gleich vom Abschied zu sprechen, so sehr ihn auch sein Herz auf den Weg drängte. Und nur ungern folgte er ihr in das Speisegemach, wo sie ihm eine Mahlzeit vorbereitet. Dort hieß sie ihn mit einer Gebärde sich niederzulassen, fragte ihn dann nach seinem Namen und um das Ziel seiner Reise. Und bald kamen sie ins Gespräch. Sie begann von sich zu erzählen, daß sie die Frau eines römischen Centurio sei, der sie aus ihrem Heimatlande entführt hatte und hierhergebracht, wo ihr das Leben in seiner Eintönigkeit, fern von ihren Stammesgenossen, wenig behage. Heute bliebe er den ganzen Tag in der Stadt, denn Pontius Pilatus, der Statthalter, habe die Hinrichtung dreier Verbrecher angeordnet. Und so sprach sie noch allerlei gleichgültige Dinge mit viel Geschäftigkeit, ohne auf seine unruhige und ungeduldige Miene zu achten. Und manchmal sah sie ihn mit einem eigentümlich lächelnden Blick an, denn er war ein schöner Jüngling.
    Zuerst bemerkte er von alldem nichts, denn er achtete nicht auf sie und ließ ihre Worte wie ein sinnloses Geräusch an sich vorbeiströmen. Sein ganzes Denken verlor sich immer wieder in dem einzigen Gedanken, daß er weiterwandern müsse, um noch heute den Heiland zu sehen. Aber der schwere Wein, den er achtlos trank, gab seinen Gliedern Müdigkeit und Schwere, und mit der Sättigung überkam ihn auch das sanfte Gefühl einer trägen Behaglichkeit. Und als die sinkende Willenskraft ihn nach dem Mahle zu einem matten Versuche zwang, Abschied zu nehmen, hielt sie ihn mit Hinblick auf die drückende Hitze des Nachmittags ohne viel Mühe zurück.
    Und lächelnd verwies sie ihm seine Hast, die mit wenigen Stunden geize. Wenn er schon Monate gezögert, dürfe er doch nicht mit einem einzigen Tage rechnen. Und mit ihrem seltsamen Lächeln kam sie immer wieder darauf zurück, daß sie allein zu Hause sei, ganz allein. Dabei bohrte sich ihr Blick verlangend in den seinen. Und auch über ihn war eine seltsame Unruhe gekommen. Der Wein hatte in ihm dumpfe Begierden geweckt, und sein Blut, das in dem kochenden, verzehrenden Brande der Sonne geglüht, pochte in seinen Adern mit einer seltsamen Schwüle, die sein Denken immer mehr überwältigte. Und als sie ihr Antlitz einmal nah zu dem seinen neigte und er den verlockenden Duft ihrer Haare einsog, riß er sie zu sich und küßte sie in stürmischem Überschwang. Und sie wehrte ihm nicht…
    Und er vergaß seiner heiligen Sehnsucht und dachte nur derer, die er in seinen fiebernden Armen hielt, einen langen schwülen Sommernachmittag lang.
    Erst die Dämmerung erweckte ihn wieder aus seinem Taumel. Jäh, fast feindselig riß er sich aus ihren Armen los, denn der Gedanke, er könnte den Messias versäumt haben um eines Weibes willen, machte ihn furchterfüllt und wild. In Hast nahm er seine Kleider, ergriff den Stab und verließ das Haus nur mit einer stummen Gebärde des Abschieds. Denn wie eine Ahnung war es in ihm, daß er dieser Frau nicht Dank sagen dürfe.
    In unaufhörlicher Hast strebte er Jerusalem zu. Der Abend war schon gesunken, und in allen Ästen und Zweigen bebte ein Rauschen wie von

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