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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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(wie ein Trunkener voraneilend zum Tempel, laut):
    Auftut des Tempels Tore! Auftut die Tore! Vor dem Altar beschwört der König den Bund wider Assur!
    STIMMEN:
    Heil dem Bunde!… Oh Tag der Verheißung… oh Ende der Knechtschaft… Nieder mit Assur… heil Zedekia… heil… Sieg… Sieg… Israel über alles… Gott ist mit Israel…
    (DER KÖNIG ZEDEKIA ist, gefolgt von den ägyptischen Gesandten, aus dem Palaste geschritten. Er trägt das Schwert bloß in den Händen. Sein Antlitz ist strenge und ernst, er geht inmitten des Jubels wie gedrückt von Gedanken, neigt sich kaum dem allgemeinen Schrei und Zuruf und steigt jetzt mit langsamen Schritten den Tempel hinan.)
    (DIE MENGE drängt ihm nach, lärmend und jubelnd, plötzlich gellt mitten aus ihr der Schrei):
    JEREMIAS:
    Zedekia! Zedekia! Tu ab das Schwert!
    (DIE MENGE bricht in Tumult aus, die Schreie fallen plötzlich nieder.)
    (DER KÖNIG bleibt stehen auf der Stufe und wendet sich um.)
    JEREMIAS (Stimme sich gewaltig erhebend):
    Tu ab das Schwert, Zedekia! Du rettest Jerusalem! Friede gib Israel! Gottes Friede!
    DIE MENGE (wild aufschäumend durcheinander):
    Krieg… Krieg… Krieg mit Assur… wer redet… ein Gekaufter… nieder mit den Verrätern… Krieg… Krieg… Schlagt ihn nieder… Israel über alles… Krieg… Krieg…
    (JEREMIAS Schrei ist schnell im aufspringenden Getöse untergegangen, er selbst fortgedrängt und nur mühsam von Baruch geschützt; die Menge schäumt und tost fort mit verdoppelter Wucht ihrer ekstatischen Stimmen zum Könige.)
    (DER KÖNIG ist horchend stehen geblieben und sucht nach dem untergegangenen Schrei. Er hat das Schwert für einen Augenblick sinken lassen und wendet sich wie nach Hilfe rings um. Um ihn brandet jetzt donnernd der fanatische Ruf des Volkes, die Tore des Tempels werden breit aufgetan. Er zögert noch einen Augenblick, dann hebt er wieder das Schwert und schreitet fest und ernst die letzten Stufen empor.)

III. Das Gerücht
    »Weil ihr solche Rede treibet, siehe, so will ich meine Worte in deinem Munde zu Feuer machen und dieses Volk zu Holz und sollen sie verbrennen.«
    Jer. IV, 14.
     
    Der gleiche Platz vor dem Tempel und dem Königspalast. Auf den Stufen sitzen und lagern lässige Bündel von Männern und Frauen. In den Straßen und in der Halle das gewohnt beständige Auf- und Niedergehen von Menschen in Geschäften und Gespräch.
     
    EINER (in der großen Gruppe auf den Stufen):
    Und ich sage es euch, es ist gewiß: eine gewaltige Schlacht hat angehoben zwischen Nabukadnezar und Pharao.
    EIN ANDERER:
    Ja… auch ich habe es gehört… ein Bote ist gekommen…
    EINE STIMME:
    Unablässig kommen Boten in den Palast… das hat nichts zu bedeuten.
    DER ZWEITE:
    Aber ich habe ihn gesprochen, ich weiß es gewiß.
    DIE STIMME:
    Den Boten hast du gesprochen?
    DER ZWEITE:
    Nein… Aphitor, den Schreiber des Königs… auch er sagte, eine Schlacht habe begonnen… eine große Schlacht…
    DER ERSTE:
    Eine gewaltige Schlacht, wie nie eine war seit Menschengedenken, Ägypten gegen Nabukadnezar…
    STIMMEN:
    Möge der Himmel ihn zermalmen, den Verfluchten… Ägypten ist mächtig… auch von den Unsern sind Streiter zur Stelle… sie werden ihn strafen, den Hochmütigen…
    EINER:
    Er wird ihn zerbrechen, denn Gott ist mit uns.
    EIN ANDERER:
    Stark ist Ägypten, er wird ihm nicht obkommen.
    EIN ANDERER:
    Auch Nabukadnezar ist stark. Sie sagen…
    EIN ANDERER:
    Laß sie sagen, die Schwachmütigen! Laß sie sagen!
    DER ERSTE:
    Sie sagen, wie ein Heuschreckenschwarm seien seine Krieger!
    EINER:
    Krieger! Es sind keine Krieger! Klein sind sie von Wuchs wie die Knaben und unkund des Schwerts. Mein Schwestermann hat ihrer viel gesehen, in den Weiberhäusern sind sie Männer und nicht auf dem Feld.
    EIN ANDERER:
    Bei den Knaben liegen sie des Nachts und machen sie zu Weibern.
    (EINIGE lachen.)
    EINER:
    Pharao wird sie vernichten.
    STIMMEN:
    Wie Spreu wird er sie fegen von der Tenne… lang lebe Pharao, unser Freund… es lebe Pharao, der Besieger… lang lebe Pharao… er kann nicht an wider ihn… es lebe Pharao…
    ANDERE (von den Rufen hergelockt, die Gruppe vergrößernd):
    Was sagt ihr vom Pharao… was ists mit Pharao Necho…
    EINER:
    Eine große Schlacht schlägt er wider Nabukadnezar…
    STIMMEN:
    Er wird sie besiegen… wie die Hunde mit geklemmten Schwänzen werden sie vor ihm laufen… ja, ich habe es gehört, ein gewaltig Ringen hat angehoben… er wird sie besiegen… er wird uns befreien… es lebe

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