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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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fernen Städte verbindet zu einem Bunde zärtlichen Genießens. In Wuchs und Stimme, in Art und Gebärde haben sie geschwisterliche Weise. Es ist in beiden eine so starke poetische Gewalt, daß sich das Provinzlerische in ihnen zu einem Lieblichen und Begehrenswerten wandelt, daß die moderne häßliche Straßenkultur sich nicht brüsk vordrängt, sondern in sanfter Anpassung sich dem Verjährten gesellt. Altadelige Art ist in ihnen; schlank wie Pagen sind die Türme, und die Glocken so hell wie frische Mädchenstimmen. Alles klingt hell in den lichten Straßen wieder, wie ein Lächeln ist solch eine Stadt in das Grüne gebettet. Nur ist im Süden das Bild viel weicher und üppiger; die Palmen mit grünen Fächern das ganze Jahr in den Straßen, und breit quillt, zu Gärten und Alleen vertropfend, die farbige Fülle einer wunderbaren Flora in die Stadt. Die Musik, mit der beide Städte durchdrungen sind, hat sich in Salzburg zweimal, dreimal zu grandiosen Kunstwerken destilliert, Michael Haydns Grab und Mozarts Wiege scheinen die Ruhepunkte, um die dies Leben schwingt; in Sevilla löst sich der Sinn des Musikalischen nicht in die bleibende Form. Aber alle Gassen klingen von Musik, von guter und übler, stets trällert ein Liedchen in der Luft oder klimpert eine Gitarre. Das Leben scheint hier rascheren Takt und die Menschen helleres Blut zu haben; nirgends gibt es mehr hungrige Magen als in Andalusien und doch, Sevilla glüht in wunderbaren Farben, blinkt in Heiterkeit und winkt mit vielen Fahnen, hier könne man sehr glücklich sein.
    Ist dies schon die spanische Art? Ja und nein. Denn Spanien ist nur Landkarteneinheit, von der Wirklichkeit aber in zwei fast schematische Gegensätze zerschnitten, die sich wieder in tausend Einzelkontraste lösen. Auch das Spanien Pizarros und Torquemadas lebt noch, der finstere, fanatische Geist Kastiliens hat nur neue Formen gefunden, in denen sich seine stolz-grausame Art entfaltet. Denn das sind keine Gitarrenschläger, die die dunkeln verfallenden Städte des Nordens bewohnen, das graue Toledo, das, mit Wällen umgürtet, drohend hingehängt ist im Gestein, das der Tajo zornig durchbricht; das sind die Mönche von einst und die harten Granden, die Menschen, in denen das graue, öde Land mit seinen jähen und unwilligen Felssteinen einen Schein von Leben gewonnen hat. Nur einen Schein: denn etwas Sarghaftes haben viele der älteren Städte, etwas Mönchisches die Menschen. Denkt man an Sevilla, an die frohe Welle, in der sich die Lustbarkeit etwa in den Karnevalstagen ergießt, so fühlt man ganz das Grauen, das sich im Norden Spaniens noch bis in die Lustbarkeiten verkriecht. Mitten im Herzen von Madrid, der modischen Stadt, die böse Mahnung. Wie in unserem Prater ist dort Korso im Buen-Retiro; aber wo sind die flüchtigen, geschmeidigen Bewegungen der Pferde, das helle Trappeln, das scharfe Sausen, wo sind die farbigen Bilder gezügelter Eile? Breit, schwer, in einem traumhaften Trab poltern die großen karossenhaften Wagen vorbei, ungeheuer steif, würdevoll und korrekt. Festgefroren oben die galonnierten Diener mit fanatischen Augen wie Mönche des Zurbarän. Schwer fällt der Schatten des Eskorial über das ganze Land Kastilien; und kommt man nach Andalusien, so ist es einem, als sei man in die Sonne getreten. In hundert Spiegeln glänzt der Gegensatz. Dort das Spanien des ›Don Carlos‹, der ›Jüdin von Toledo‹ und Victor Hugos ›Torquemada‹, dröhnende, wildschöne Visionen. Und Sevilla? Zuerst sucht man den heiteren Laden des ›Barbiers‹, sehnt sich auch sehr, unter den vielen blinkenden Häusern das eine zu entdecken, wo Don Juan jenes Abenteuer hatte, das Lord Byron mit so entzückender Umständlichkeit in seinem Epos erzählt. Figaro singt hier seine Liedchen, die Habañera Carmens trällert drein, aller Heiterkeit Symbole hat die Kunst in diese Straßen gestellt, durch die schon einst der ingenioso Hidalgo Don Quichote de la Mancha auf seiner braven Rosinante getrabt. Nicht Dolche kauft man hier wie in Toledo, sondern Gitarren und Kastagnetten zu guter Erinnerung. Nicht Spaniens Symbol ist Sevilla, aber Spaniens Lächeln.
    Selbst der Kampf ist hier Versöhnung geworden. Wohl sind nach jenem gigantischen Ringen der fünf Jahrhunderte die Mauren – tränenden Auges, wie die Sage berichtet – aus dem Süden Spaniens gewichen, aber noch wirkt ihre Art hier überall in einem heimlichen Leben. Nicht verachtet wie in Kastilien, sondern verwertet ist hier ihre

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