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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Horizont; breitbäuchige, schwere Caravellen, das portugiesische Rotkreuz auf den Segeln, nahen heran, und am nächsten Tage legen die ersten Boote an dem fremden Strande an.
    Es ist die portugiesische Flotte unter dem Kommando des Pedro Álvares Cabral, die im März 1500 von der Mündung des Tajo ausgefahren ist, um die unvergeßliche, von Camões in den »Lusiaden« besungene Fahrt Vasco da Gamas, dieses feito nunca feito rings um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien zu wiederholen. Angeblich haben widrige Winde die Schiffe von Vasco da Gamas Wege längs der afrikanischen Küste so weit fortgetrieben zu dieser unbekannten Insel – denn Ilha de Santa Cruz nennt man diese Küste zuerst, deren Ausdehnung man noch nicht ahnt. Die Entdeckung Brasiliens scheint also – sofern man die Reisen Alfonso Pinzons, der in die Nähe des Amazonenstromes kam, und die zweifelhafte Vespuccis nicht als Vorentdeckung rechnet – bloß durch eine absonderliche Fügung von Wind und Wellen Portugal und Pedro Álvares Cabral zugefallen zu sein. Die Historiker sind freilich längst nicht mehr geneigt, diesem »Zufall« Glauben zu schenken, denn Cabral führte den Piloten Vasco da Gamas mit sich, der genau den nächsten Weg kannte, und die Fabel von den widrigen Winden wird hinfällig durch das Zeugnis des an Bord anwesenden Pêro Vaz de Caminha, der ausdrücklich bestätigt, sie seien vom Kap Verde weitergesegelt, sem haver tempo forte ou contrario . Es muß also, da kein Sturm sie so weit nach Westen hinübertrieb, daß sie plötzlich statt am Kap der Guten Hoffnung in Brasilien landeten, eine bestimmte Absicht oder – was noch wahrscheinlicher ist – ein geheimer Befehl seines Königs Cabral veranlaßt haben, den Kurs so weit nach Westen zu nehmen; dies legt die Wahrscheinlichkeit nahe, daß die portugiesische Krone schon lange vor der offiziellen Entdeckung von der Existenz und der geographischen Lage Brasiliens geheime Kenntnis gehabt hat. Hier liegt noch ein großes Geheimnis verborgen, dessen Dokumente durch die Vernichtung der Archive bei dem Erdbeben von Lissabon für alle Zeiten verschwunden sind, und die Welt wird wahrscheinlich nie den Namen des ersten und wirklichen Entdeckers wissen. Anscheinend war sofort nach der Entdeckung Amerikas durch Columbus ein portugiesisches Schiff auf Erkundung dieses neuen Erdteils ausgeschickt worden und mit neuer Botschaft zurückgekommen; oder – auch dafür gibt es gewisse Anhaltspunkte – schon ehe Columbus Audienz nahm, wußte die portugiesische Krone mehr oder minder Bestimmtes von diesem Lande im fernen Westen. Aber was immer Portugal wußte, hütete es sich wohl, den eifersüchtigen Nachbarn bekanntzugeben; im Zeitalter der Entdeckungen behandelte die Krone jede neue Nachricht über nautische Erkundungen als militärisches oder kommerzielles Staatsgeheimnis, auf dessen Verlautbarung an fremde Mächte Todesstrafe stand. Karten, Portolane, Schiffsrouten, Pilotenberichte wurden ebenso wie Gold und Edelsteine als Kostbarkeiten in der Tesouraria, der Schatzkammer Lissabons, verschlossen, und besonders in diesem Falle war eine vorzeitige Verlautbarung untunlich, denn nach der päpstlichen Bulle Inter caetera gehörten noch alle Gebiete hundert Meilen westlich von Kap Verde rechtmäßig den Spaniern zu. Eine offizielle Entdeckung jenseits dieser Zone hätte zu dieser frühen Stunde nur den Besitz des Nachbarn, nicht den eigenen gemehrt. Es lag also keineswegs im Interesse Portugals, eine solche Entdeckung (wenn sie tatsächlich stattgefunden hat) vorzeitig zu melden. Erst mußte rechtmäßig gesichert sein, daß dieses neue Land nicht Spanien, sondern der portugiesischen Krone gehöre, und dies hatte sich mit auffälliger Voraussicht Portugal durch den Vertrag von Tordesillas gesichert, der am 7. Juni 1494, also kurz nach der Entdeckung Amerikas, die portugiesische Zone von den ursprünglichen hundert léguas auf 370 westlich von Kap Verde hinausschob – gerade soviel also, um die angeblich noch nicht entdeckte Küste Brasiliens okkupieren zu können. Wenn dies ein Zufall gewesen, so war es jedenfalls einer, der sich merkwürdig mit der sonst unerklärlichen Abweichung Pedro Álvares Cabrals von dem natürlichen Kurse paart.
    Diese Hypothese mancher Historiker von einer früheren Kenntnis Brasiliens und einer geheimen Instruktion des Königs an Cabral, derart weit nach Westen abzuschwenken, damit er dort durch einen »wunderbaren Zufall« – milagrosamente , wie er an den König von

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