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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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meinem Wahn:
Ein Anbeginn ist dies von Gott und kein Ende,
Oh, Mutter, heb neu mir zu leben an!
    DIE MUTTER:
    Du ewiger Träumer, du mein töriges Kind,
Wie verführungsvoll deine Worte doch sind!
Ach, daß ichs vermöchte,
Was du ersehntest, dir wahrhaft zu werden,
Ein Traum wär die Welt, zum Himmel die Erde!
Im stillen Haus, einträchtig zu zwein,
Wie friedsam sollte dies Leben sein!
Mit lindem Gang
Schritt ich des Tags deine Stunden entlang,
Und zur Nacht
Säß ich ob deinem Schlummer wach
Und glänzte den Blick als ein lauschend Licht
In das schlafend Dunkel auf deinem Gesicht,
Ich horchte in deines Atems Getön,
Ob still er weht
Oder heiß von Fiebern und Träumen geht.
Und fühlt ich, die Träume erschreckten dich,
So weckte ich dich,
Und dein erster, dunkelenttauchender Blick
Fiele froh in das Lächeln des meinen zurück.
    JEREMIAS:
    Mutter, Geliebte, sorge dich nicht,
Meine Nächte sind dunkel und träumeleer.
Es ist vorüber: ich träume nicht mehr.
    DIE MUTTER:
    Du träumst nicht mehr?
    JEREMIAS:
    Ich träume nicht mehr.
Mein Schlaf ward schwarz, mein Schlaf ward stumm,
Nicht mehr wallen
In meinem Blut die Gesichte um,
Meine Träume sind tief in den Tag gefallen,
Ihr Schauer hat sich den Stunden gesellt:
Ich träume nicht mehr, denn wach ward die Welt.
    DIE MUTTER (ekstatisch):
    Jeremia! Du träumst nicht mehr?
Oh, wie gut! Oh, wie gut!
Siehst du Verzagter, ich wußte es ja,
Gott würde dein dunkelndes Herz erleuchten
Von seiner Wirrnis und seinem Wahn!
Oh, so selig sicher glühts mir im Blut,
Was ich dich lehrte von Anfang an:
Nie wird ein Feind diese Stadt umwallen,
Nie Zion zittern, nie Davids Burg fallen,
Und wenn der Feind von den Enden der Erde käm,
Ewig werden die ragenden Mauern,
Ewig die Herzen Israels dauern,
Ewig währet Jerusalem!
    JEREMIAS (ist von den Knien aufgefahren. Er starrt sie wie ein Sinnloser an. Seine Lippen beben das Wort wie eine Frage nach):
    Nie wird… ein Feind… unsere Stadt… umwallen?…
    DIE MUTTER (aufzitternd vor Angst):
    Was schrickst so jäh,
Was blickst du so blaß?
    JEREMIAS (noch ganz benommen im Schauer):
    Nie wird… ein Feind… unsere Stadt umwallen…
    DIE MUTTER:
    Jeremia, sprich,
Was ist dir geschehn,
Was krampfst du die Hand,
Was birgst du den Blick?
Was schrickst du und blickst du so unbewußt?
Und ihr,
Achab, Jochebed,
Was winkt ihr ihm ab,
Was blinkt ihr ihm zu,
Jeremia, Jeremia,
Sage mir, sage, was ist geschehn?
    JEREMIAS (sich fassend):
    Nichts, Mutter… nichts… nicht errege dich.
Mir war
Nur dein Wort so fremd… so sonderbar.
    DIE MUTTER:
    Nein!
Euer Blick
Ward mit einmal schwarz und sorgenumdüstert;
Und nun steht ihr im Dunkel und schauert und flüstert.
Fürchterlich, fürchterlich
Ist dies Geheimnis, das ihr verschließt.
Ich spür
Es wie Tod und Gottes Zorn über mir.
    JEREMIAS (stammelnd):
    Nichts, Mutter… nichts… verbergen wir dir.
    DIE MUTTER:
    Was belügt ihr mich,
Was betrügt ihr mich?
Noch bin ich nicht tot und nicht eingesargt,
Noch geht der warme Atem von mir,
Noch schlägt mir das Blut aus dem Herzen heraus,
Noch kann ich hören, noch bin ich nicht stumm,
Noch bin ich lebendig im eigenen Haus.
    JEREMIAS:
    Mutter… du fieberst… Wahn hält dich umkrallt,
Deine Schläfen sind Feuer… deine Hände so kalt…
    DIE MUTTER:
    Was biegt ihr mir aus,
Was schließt ihr mich ab?
Und wär es die Schrecknis, ich will um sie wissen!
Warum, oh warum
Sind hier die Fenster und Türen verhängt,
Warum ist alles so dunkel und stumm?
Wie in einen Sarg
Habt ihr mich wach in mein Bett versenkt,
Mich schwarz vergraben in Matten und Kissen.
Warum, warum
Stoßt ihr gewaltsam in Grauen und Grab
Mich, die Lebendige, jetzt schon hinab?
    JEREMIAS:
    Mutter… Mutter… bette dich hin…
Nicht wirf dich hoch… beruhige dich…
Meine Hände fühle… ich bin doch bei dir…
    DIE MUTTER:
    Ich lebe… ich lebe… ich lebe noch,
Ich lasse mich nicht belügen und trügen.
Fürchterlich Wachen kommt über mich.
Ich weiß es, ich weiß es jetzt grauenvoll klar,
Daß mein Träumen nicht Traum, sondern Wirklichkeit war.
Oft
Hörte ich Dröhnen
Von Rossen und Wagen,
Ein Tönen,
Klirren und Klagen und Waffenschlagen,
Posaunen schollen dumpf in den Raum her,
Und ich lag
Von Grauen umdrängt
Und meinte,
Daß all dies nur mein eigener Traum wär.
Doch jetzt
Bin ich wach,
Grauenhaft wach,
Der Tod hat die Lider mir aufgesprengt.
Ich weiß,
Warum ihr das Licht und den Lärm mir verhängt:
Unheil ist um in der Stadt, in den Toren,
Wir sind geschlagen, wir sind

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