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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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ergiebigeres Absatzprodukt finden und der kurze Zyklus des pau-brasil von einem geschwinder und gewichtiger umlaufenden abgelöst werden.
    Ein solches Produkt besitzt nun Brasilien – oder vielmehr jener schmale Streifen an der Küste, der bisher erforscht ist zur Zeit seiner Entdeckung noch nicht. Um fruchtbar zu werden für die europäische Wirtschaft, muß dieses Land zuerst von Europa befruchtet werden. Alles was in seinen üppigen Zonen wachsen und gedeihen soll an Pflanzen und Produkten, muß erst umgesiedelt und angesiedelt werden, und dazu bedarf es überdies noch eines besonderen Düngers, des Menschen. Von der ersten Lebensstunde an ergibt sich für Brasilien der Mensch, der Kolonist, der Siedler in der Form des belebenden, befruchtenden Elements als die notwendigste aller Notwendigkeiten. Was Brasilien hervorbringen soll, muß ihm von Europa gebracht und gelehrt werden. Aber alles, was ihm dieses leihen wird an Pflanzen und Menschenkräften, gibt die neue Erde dann mit tausendfacher Verzinsung dem alten Erdteil zurück. Indes also die überseeischen Länder des Orients, in denen aufgestapelte Schätze zu holen, zu rauben, zu greifen sind, für Portugal zunächst ein Eroberungsproblem darstellen, erweist sich dieses noch völlig unorganisierte Land von Anfang an als ein Kolonisationsproblem, ein Investitionsproblem.
    Als ersten Versuch einer solchen Überpflanzung und Anpflanzung eines in Brasilien nicht heimischen Produkts bringen die Portugiesen von Cap Verde das Zuckerrohr herüber. Und gleich dieses früheste Experiment gelingt vollkommen – immer vollbringt die Natur in Brasilien in überschwenglicher Weise jede ihr zugemutete Leistung. Das Zuckerrohr bedeutet ein absolut ideales Produktionsobjekt für ein noch unorganisiertes Land, weil seine Pflanzung und Ausbeutung nur die allergeringste manuelle Arbeit erfordert und keinerlei Vorbildung. Kaum in die Erde gepflanzt, schießt hier die Staude, ohne weitere Wartung zu verlangen, doppel-daumendick empor, und dies sechsmal und zehnmal im Jahr; mit den einfachsten, leichtesten Methoden entpreßt man ihr den kostbaren Saft. Es genügt, das Zuckerrohr zwischen zwei Holzrollen zu legen; zwei Sklaven – da ein Ochse zu teuer wäre – umwandern in einer Art Tretmühle den waagerechten Schwengel. Ihr unermüdlicher Rundgang preßt immer wieder und wieder die Rollen zusammen, bis die letzte Unze Sirup dem Stengel entrungen ist. Dieser weiße, klebrige Ausfluß wird dann verkocht und zu Klumpen und Zuckerhüten geformt, die ausgelaugten Stengel dienen dann noch als Maische, die verbrannten Blätter als Asche der Landwirtschaft. Diese erste und primitivste Fabrikationsmethode verbessert sich in vielfachen Versuchen; bald werden die engenhos , solche kleine Fabriken, an Wasserläufen angelegt, um statt der menschlichen Kraft die hydraulische zu verwerten. Aber in allen Formen bleibt die Zuckergewinnung ein Prozeß bequemster Art und überdies der denkbar ergiebigste. Mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit verwandelt sich der weiße Zucker, den die schwarzen Sklaven aus den braunen Stangen mit den grünen Blättern pressen, in gelbes, schweres Gold. Denn in Europa ist, seit es auf den Kreuzzügen die erste Berührung mit der verfeinerten und raffinierten orientalischen Welt erfahren hat, eine ungestüme Gier einerseits nach scharfen, stimulierenden Spezereien und anderseits nach Süßigkeiten und Leckereien ausgebrochen. Reich geworden durch den aufblühenden Handel, will es nicht weiterhin seine spartanisch karge, monotone Kost und sucht nach feinerer und nuancierterer Gaumenlust. Die matte Süßung, die man bisher einzig dem Honig entlockte, genügt ihm nicht mehr. Seit es einmal von diesem neuen starken Süßstoff, dem Zucker, gekostet, verlangt es mit kindischem Starrsinn immer mehr von dieser lukullischen Speise. Und da es noch drei Jahrhunderte dauern wird, ehe Europa – zur Zeit der Kontinentalsperre – sich Zucker aus der heimischen Rübe gewinnen wird, muß er vorerst als Luxusprodukt von exotischen Zonen geholt werden, und die Kaufleute, einer immer steigenden Kundschaft gewiß, zahlen für diese neue Ware jeden Preis. Mit einem Schlage wird Brasilien nun auf dem Weltmarkt wichtig. Da die Spesen dieser primitiven Fabrikation beinahe gleich Null sind, denn die Erde kostet nichts, die Pflanze kostet nichts, und die Sklaven in den engenhos sind die billigsten aller Arbeitstiere, schießen die Gewinne wild empor und der Reichtum, den Brasilien – oder

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