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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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vielmehr Portugal – aus diesen Betrieben zieht, wird unermeßlich. Von Woche zu Woche erweitert und steigert sich die Produktion; durch drei Jahrhunderte ist Brasiliens Vormacht- und Monopolstellung auf diesem Gebiet nicht mehr zu erschüttern; was für gigantische Ziffern der Export schließlich erreicht, zeigt das eine Beispiel, daß in manchen Jahren Brasilien Zucker im Verkaufswert von drei Millionen englischer Pfund exportiert, eine Summe, die höher war als der gleichzeitige Gesamtexport Englands. Erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts beginnen die Gewinne abzusinken, weil Brasilien sich durch Überproduktion den Kaufpreis seines weißen Goldes verdirbt. Wie alle anderen Kolonialprodukte, der Pfeffer, der Tee, der Gummi, wird, was zuerst durch Seltenheit eine Kostbarkeit gewesen, infolge der Überproduktion zur Selbstverständlichkeit und Alltäglichkeit. Die Einführung des Rübenzuckers gibt der großen Konjunktur dann den letzten Stoß, aber der »Zyklus« des Zuckers hat seine ökonomische Aufgabe in der Wirtschaftsgeschichte Brasiliens glänzend erfüllt und der Niedergang des Hauptprodukts kommt schon zu spät, um die bereits auf andere Produkte umgestellte Wirtschaft zu gefährden. An dem einen schwachen Rohr, das die ersten Schiffe von der alten Welt herüberbrachten, ist Brasilien aufrecht durch drei Jahrhunderte geschritten und genügend erstarkt, um ohne diese Stützung seinen Weg weiter zu gehen.
    Ein zweites Exportprodukt schließt sich bald an, in gewissem Sinne ähnlich dem andern, weil gleichfalls einem neuen europäischen Laster dienend: der Tabak. Schon Columbus hatte die ersten Eingeborenen rauchend gefunden, und andere Seefahrer haben die sonderbare Gewohnheit mit nach der Heimat hinübergebracht. Den Europäern scheint dies Kauen und Schmauchen und Schnupfen eines braunen Krautes zunächst eine barbarische Sitte. Man verhöhnt und verachtet die Matrosen, wenn sie zwischen den Zähnen diese dicken Rollen schmatzen und den braunen schmutzigen Saft wegspucken. Man verlacht als Narren die wenigen Amateure, die mit ihren Tonpfeifen die Luft verqualmen, und in guter Gesellschaft, vor allem bei Hofe, herrscht strenges Verbot. Es geschieht darum nicht aus Lust oder modischer Nachäfferei, daß sich Europa plötzlich an den Tabak gewöhnt, sondern aus Angst. In den Schreckenstagen, da die großen Seuchen in rascher Folge die verschiedensten Städte Europas heimsuchen und entvölkern, glauben viele – da sie von Bazillen noch nichts ahnen – sich am besten vor Ansteckung zu schützen, indem sie fortwährend schmauchen und durch ein Gift das andere paralysieren. Aber wie dann die Seuche und mit ihr die Angst vorüber ist, haben sich die Menschen ähnlich wie beim Cognac, der vorher nur als Heilmittel dosiert wurde – an den Tabak durch das ständige Rauchen bereits gewöhnt und wollen ihn ebensowenig entbehren wie Essen und Trinken. Von Jahr zu Jahr begehrt Europa größere Massen, und auch für diesen Großbedarf etabliert sich Brasilien als Großlieferant, denn der Tabak wächst hier wild, und seinen Blättern wird die beste Qualität zuerkannt. Ebenso wie sein Bruder, der Zucker, erfordert der Tabak keine umständliche Pflege und Wartung. Man braucht nur die Blätter von dem ohne weitere Bemühungen aufwachsenden Strauch abzureißen, zu trocknen, zu rollen, und das hier fast Wertlose wandert als wertvolle Ware zum Schiff.
    Zucker, Tabak und in geringerem Umfang noch Schokolade, das dritte begehrliche Objekt neumodischer europäischer Geschmacklüsternheit, bleiben die drei Hauptpfeiler, die Brasiliens Wirtschaft bis ins achtzehnte Jahrhundert stützen. Ihnen gesellt sich, sobald Europa gelernt hat, Baumwolle zu verspinnen, noch der Coton, der algodão , als vierter Bruder hinzu. Die Baumwolle ist von Anfang an in Brasilien heimisch, sie wächst wild in den Wäldern des Amazonas und in anderen Provinzen, aber im Gegensatz zu den höher kultivierten Azteken und Peruanern wußten die Eingeborenen noch nicht die Fäden zu verspinnen; einzig im Kriege verwerteten sie die Flocken auf ihren Pfeilen, um damit fremde Niederlassungen in Brand zu setzen, und im Gebiet des Maranhão diente die Baumwolle kurioserweise sogar als Zahlungsmittel. Noch weniger weiß Europa zunächst mit der Baumwolle zu beginnen; obwohl schon Columbus einige Flocken dieser weißen Wolle nach Spanien mitbringt, wird niemand ihrer zukünftigen Bedeutung als Textilstoff gewahr. In Brasilien dagegen wissen die Jesuiten,

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