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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Stauffer
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Geschichte von David und Goliath. Ob er damit eine bestimmte Absicht verfolgte, das weiss ich auch nicht.»
    So sitzt man am Küchentisch und giesst sich Kaffee nach. Der Kuchen verkrümelt sich unter der Gabel, die ihn traktiert. Der Kasper hat sich zurückgezogen und einem verletzten Kind Platz gemacht. Ein wehmütiges Lächeln schleicht sich über das Gesicht. Die Nase wird geschnäuzt. Die Uhr tickt weiter, und man spürt, wie die Zeit vergeht. Wie ein Gedanke reift im Kindskopf. Die Überlegungen nehmen Form an in der Stille. Das Erlebte spielt sich noch einmal ab. Spiegelt sich in den Augen, die plötzlich wieder an Glanz gewonnen haben und aufschauen, klar und heiter blicken. Der Rücken streckt sich, so, als liesse ein Entschluss den alten Jungen wachsen. Der Schelm in ihm wurde nicht besiegt von all den grossen Mäulern. Hatte sich durchgesetzt und behauptet, bis zum heutigen Tag.
    «Nun lag der Sommer vor mir. Die Geschwister liessen mich weitgehend in Ruhe. Ohne den Lupo war ihr Interesse, mich zu verspotten, auf einmal nicht mehr halb so gross. Ich half viel in diesen Monaten. Wenn es nichts zu tun gab, zog ich mich zurück und grübelte. Ich realisierte, dass ich aus dieser Sache selber herausfinden musste. Aus eigener Kraft. Um weiterzukommen, ging das nicht anders. Die Geschichte des Lehrers kam mir dabei immer wieder in den Sinn. An einem Sonntag, kurz bevor die grosse Schwester wieder mit dem Postauto zur Arbeit fahren wollte, bat ich sie um einen Gefallen. Sie versprach mir, ihr Möglichstes zu tun. Ich musste aber noch drei lange Wochen warten, bis sie mir tatsächlich einen alten Fahrradschlauch mitbringen konnte. Woher sie ihn schliesslich hatte, kümmerte mich weniger. Aber jetzt stand meinem Vorhaben nichts mehr im Weg. Eine geeignete Astgabel hatte ich mir längst gesucht und zurechtgeschnitten.
    Von da an übte ich jeden Tag und im Verlauf des Sommers nahm meine Treffsicherheit zu. Wo ich auch war, sammelte ich Steine in der passenden Grösse, am liebsten scharfe, mit spitzen Ecken und Kanten. Die bewahrte ich auf im Hosensack. Im anderen die Schleuder. Sie war klein genug, dass ich sie verbergen konnte. Niemand bemerkte auch nur irgendetwas. Nur vielleicht, dass ich wieder lebhafter wurde und aufrechter ging.
    Es kam der erste Schultag. Die Kinderschar, frisch geschrubbt und in den besten Kleidern, zog los. Ich wie üblich eine Kurve hinterher. Hinter einem Felsen lauerten sie mir dann auf. Lange genug mussten sie darauf gewartet haben, endlich wieder ein Opfer zu haben. Der Lupo stand mitten auf der Strasse, die Hände in die Seiten gestützt und riss sein grosses Maul auf. Ich ging so weit auf ihn zu, dass die Distanz zwischen uns für mich die richtige war. Noch bevor er realisierte, was ich tat, griff ich nach Stein und Schleuder. Das Geschoss traf ihn über dem Auge. Die Haut platzte auf, und Blut rann ihm über das Gesicht. Mit Erstaunen schaute er auf seine blutige Hand, die nach der Stirn gegriffen hatte. Dann rannte er heimwärts.
    In der Schule meldeten ihn die anderen krank. Niemand verriet, was auf dem Weg geschehen war. Sogar der Lupo erzählte zu Hause, er sei hingefallen. Als er nach drei Tagen in die Schule kam, war sein Auge zugeschwollen. Er hatte Glück gehabt und büsste nichts von seiner Sehkraft ein. Von dem Tag an hatte ich meine Ruhe. Als erstes rüstete ich die Mädchen, meine Püppchen aus. Dann die, die gerade erst mit der Schule begonnen hatten. Die Kleinen also. Diese unsere neue Bande wurde mit grösstem Respekt behandelt, und es fiel keinem mehr in den Sinn, uns blöd zu kommen. Wir durften mitspielen oder nicht. Wir waren frei. Als wir es mit den Schleudern dann doch zu bunt trieben und noch andere Kinder blutige Köpfe mit nach Hause nahmen, wurden wir von den Eltern entwaffnet. Trotzdem wahrten die Grösseren gebührenden Abstand und traten uns nie mehr zu nahe. Ich selber fühlte mich von da an stark und unbesiegbar. Ich hatte zu meiner eigenen Sicherheit, falls es denn wieder einmal nötig sein sollte, noch den Rest des alten Veloschlauchs sicher in einem Versteck verwahrt. Der bewahrte mich davor, erneut den Mut zu verlieren oder an mir selbst zu zweifeln. Es könnte sein, dass er da immer noch zu finden ist. So habe ich mich mein Leben lang zu schützen gewusst von der Übermacht dessen, was einen klein macht und kraftlos. Wenn man sich einmal im Leben seiner Wirkung bewusst wird und merkt, dass man Einfluss nehmen kann auf sein Schicksal, dann begleitet

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