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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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gedachte. Dazu brauchte man ja nicht gleich zu brüllen. Er begann es sogar schon ein wenig zu genießen, daß jeder auf sein Wort hin widerspruchslos tat, was er angeordnet hatte.
    Unter solchen Gedanken stieg er den Schloßhügel hinauf, führte sein Pferd durch die Toreinfahrt und brachte es in den Stall. Der Pferdeknecht, ein baumlanger, kräftiger Bursche, war noch dabei, Gisas schweißnasses Pferd abzureiben. Lauscher winkte ihn heran und gab ihm den Auftrag, die Hufe seines Pferdes nachzusehen. Der Mann nickte schweigend und nahm ihm das Pferd ab. Dann ging Lauscher hinüber ins Schloß.
    Gisa verzog spöttisch den Mund, als sie ihn sah. »Hast du deine Stute wohlbehalten nach Hause gebracht?« fragte sie. »Nimm dich in acht, daß ich nicht eifersüchtig werde!«
    »Auf ein Pferd?« sagte Lauscher lachend und schaute ihr in die saphirblauen Augen. »Du traust deiner Schönheit wenig zu, Gisa.« Damit hatte er den letzten Rest ihres Zorns verscheucht, und Gisa befahl den Dienern, Wein zu bringen und das Abendessen aufzutragen. Lauscher war erleichtert, daß ihre Mißstimmung so rasch verflogen war. Er ließ sich von den Dienern allerlei Leckerbissen vorlegen, aß mit Appetit und fand den Wein besonders süffig.
    Als die Diener abgetragen hatten, fiel ihm dann doch wieder seine Stute ein. »Ich schaue noch einmal nach meinem Pferd«, sagte er zu Gisa.
    »Soll ich dir dein Bett im Stall aufstellen lassen?« fragte sie, und Lauscher wußte nicht recht, ob dies ein Scherz oder eine Drohung sein sollte. Er entschloß sich, es als einen Scherz zu nehmen, und sagte: »Nur wenn du selbst bei den Pferden schlafen willst.«
    Das hörte Gisa gern. »Ich ziehe mein Schlafzimmer vor«, sagte sie. »Hoffentlich stinkst du nicht nach Pferdemist, wenn du zurückkommst.« Und dann entließ sie ihn mit einer herrischen Geste.
    Es war schon dunkel, als Lauscher über den Hof zu den Ställen ging. Er blieb einen Augenblick stehen und schaute hinauf zu dem Berghang im Osten, über dem der Mond aufstieg, eine riesige silberne Scheibe, vor der sich die Wipfel der Fichten abzeichneten, die Zähne eines schwarzen Rachens, der das Tal umschloß. Lauscher fröstelte, als er von den Wäldern her Wölfe heulen hörte, und es war nicht nur die kühle Nachtluft, die ihn zusammenschauern ließ. Jäh überfiel ihn die Angst, gefangen zu sein in diesem weit klaffenden Rachen, dessen Kiefer sich langsam über den Nachthimmel emporschieben könnten, um schließlich in gierigem Zubiß zusammenzuschnappen. Doch dann löste sich der Mond vom Horizont, stieg frei empor und ließ den Waldsaum unter sich zurück. Lauscher schüttelte die Beängstigung ab und ging weiter auf die offene Stalltür zu, aus der das warme Licht einer Laterne auf das Hofpflaster fiel.
    Der Pferdeknecht war damit beschäftigt, den rechten Vorderhuf von Lauschers Stute zu untersuchen. »Hast du etwas gefunden?« fragte Lauscher.
    »Ja«, sagte der Pferdeknecht, ohne aufzublicken. »Sie hat sich einen langen Dorn eingetreten. Ich habe ihn herausgezogen, aber die Stelle ist entzündet.«
    Lauscher war inzwischen gewöhnt, daß die Diener ihm ehrerbietiger begegneten als dieser Mann, dem das Tier wichtiger zu sein schien als die Schloßherrschaft. Oder zählte er in den Augen dieses Pferdeknechtes überhaupt nicht zu den Leuten, die hier zu befehlen hatten? Das Benehmen dieses Bediensteten, der nur wenige Jahre älter zu sein schien als er selbst, machte ihn unsicher. Doch dann sagte er sich, daß es schließlich die Aufgabe eines Pferdeknechts war, sich um Pferde zu kümmern. »Kannst du etwas gegen die Entzündung unternehmen?« fragte er.
    »Das könnte ich«, sagte der Pferdeknecht, »aber ich habe nicht die richtigen Kräuter, die man auflegen müßte.«
    »Weißt du, wo man sie finden kann?« fragte Lauscher.
    »Ja«, sagte der Pferdeknecht.
    »Dann hole sie dir morgen früh«, sagte Lauscher ungeduldig.
    Jetzt setzte der Pferdeknecht den Huf vorsichtig auf den Boden und richtete sich aus seiner gebückten Stellung auf. Er blickte Lauscher ohne jeden Ausdruck von Ergebenheit ins Gesicht und sagte: »Das wird nicht gehen.«
    »Warum nicht?« fragte Lauscher.
    »Weil ich das Schloß nicht verlassen darf«, sagte der Pferdeknecht.
    »Das wußte ich nicht«, sagte Lauscher und merkte zugleich, daß er damit vor diesem Mann zugab, über die Verhältnisse im Schloß nicht Bescheid zu wissen. »Ich werde mit dem Verwalter sprechen, damit er es dir erlaubt«, sagte er, und als er

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