Steinbrück - Die Biografie
Deutschland«, wie seinerzeit schon Helmut Kohl spottete, ist eben kaum etwas heiliger als der Urlaub.
Hinter solch plakativen Formulierungen geht leicht eine andere Idee von Steinbrück unter, die kompliziert klingt und ebenso wie die Erhöhung des Spitzensteuersatzes das Zeug zum echten Aufreger hat – allerdings wieder nur bei den Besserverdienenden. Nach Meinung von Steinbrück sind weniger die Steuerlasten das größte Problem der meisten Bürger, sondern die ständig steigenden Abgaben. Da die Steuer bei Geringverdienern ohnehin minimal ist, können die unteren Einkommensschichten nur über eine Senkung der Sozialabgaben entlastet werden, was wiederum angesichts der demografischen Entwicklung und der ungünstigen Verteilung von arbeitender und versorgungsbedürftiger Bevölkerung nur auf Kosten der höheren Einkommen möglich wäre. Steinbrück schlägt deshalb vor, bei den Sozialabgaben nach dem Vorbild der Steuer einen sogenannten linear-progressiven Tarifverlauf zu installieren. Das sähe konkret so aus, dass beispielsweise Kleinverdiener nur 8 Prozent ihres Einkommens für die Krankenversicherung aufwenden müssten, die Besserverdienenden hingegen 16 Prozent oder mehr Prozent. Diese nach Einkommen steigenden Beiträge würden dann den heute für alle gleich hohen Beitrag ersetzen. Darin steckt allerdings insofern eine Ungerechtigkeit, als die Besserverdiener zwar den gleichen Prozentsatz ihres Einkommens für die Krankenversicherung zahlen, in der Summe aber natürlich wesentlich mehr beisteuern. Obwohl jeder gesetzlich Krankenversicherte vom Arzt die gleiche Leistung erhält, muss der Gutverdiener schon heute wesentlich mehr dafür bezahlen. Dieser bereits existierende Solidarbeitrag würde erheblich ausgeweitet, wenn der linear-progressive Tarif auch in der Sozialversicherung Anwendung fände.
Egal welches Thema sich 2013 als entscheidend herausstellt: Die Sozialpolitik wird – zumal in einem sozialdemokratischen »Gerechtigkeitswahlkampf« – zur Nagelprobe für einen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Er muss glaubwürdig bleiben und sich an dem messen lassen, was er in seinem langen politischen Leben bisher gesagt und aufgeschrieben hat. Zugleich darf er dabei seine Partei und die treuen SPD-Wähler nicht verprellen. Denen dürfte zumindest sein nüchternes Fazit zum Thema Sozialstaat, wie es in seinem Buch nachzulesen ist, kaum gefallen. »Der langjährig gültige bundesrepublikanische Konsens lag in dem Versprechen, der Sozialstaat solle den sozialen Status jedes einzelnen Bürgers erhalten und ihm einen durchschnittlichen Lebensstandard garantieren. So wünschenswert das sein mag – es ist heute nicht mehr finanzierbar. Unter den heutigen und absehbaren Rahmenbedingungen werden damit Erwartungen und Ansprüche geweckt, an denen der Sozialstaat scheitern muss.«
Man darf gespannt sein, ob dieser scharfsichtige Realismus von Steinbrück in irgendeiner Weise Eingang in den sozialpolitischen Teil des SPD-Wahlprogramms findet. Oder ob er, um den Konsens mit der Partei nicht zu gefährden, doch am Sozialstaat alter Prägung festhält und ihn durch höhere Sozialabgaben für Besserverdienende zu stützen versucht. Die Mehrzahl der Genossen wäre dafür sicherlich zu erwärmen. Dazu passt vielleicht ein Satz von Ernst Dieter Rossmann. Als der Sprecher der Parlamentarischen Linken auf die bekannten Vorbehalte seines Parteiflügels gegen den Hanseaten angesprochen wurde, sagte er: »Ich krieg keine Pickel bei Peer Steinbrück, denn wichtiger als die Person sind die Inhalte. Für uns als Linke ist entscheidend, dass wir als Team antreten und ein gutes Programm beschließen.«
Steinbrück wird das genau abwägen müssen. »Die Bahn, auf der ich laufen soll, muss schon zu mir passen«, hat er einmal weit vorausschauend in einer Journalistenrunde eingeräumt. Deshalb müsse er unbedingt authentisch bleiben. Eine »politische Geschlechtsumwandlung«, das weiß er, würde in die »sichere Niederlage führen«. Die Gestaltung des Wahlprogramms wird deshalb ein heikler Balanceakt für ihn sein – eine Abwägung, von der alles abhängen kann. Nur: Wie viel »Steinbrück pur« darf und wie viel »SPD pur« muss sein, damit das Rennen für ihn zum Erfolg führt?
Dank
W enn man ein Buch in einer kurzen Pause zwischen zwei Jobs beginnt und es dann neben der normalen Tagesarbeit an vielen Feierabenden und Wochenenden fertigstellt, ist man auf die Hilfe kluger und freundlicher Menschen angewiesen.
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