Steinbrück - Die Biografie
Jetzt noch gut acht Stunden Flug und die Reise ist geschafft.
Auch die Kanzlerin und ihr Bundesfinanzminister nutzen den langen Rückflug, um etwas Luft zu holen, legen in den bequemen Konferenzsesseln des Flugzeugs kurz die Beine hoch. In dem Luftwaffenjet gibt es neben einem eigenen Schlafzimmer mit Dusche für die Kanzlerin ein Büro mit abhörsicherem Satellitentelefon und mehrere Besprechungsräume. Die Arbeitstische und Telefone an Bord werden häufiger genutzt als das schmale Bett. Die Kanzlerin und ihre Minister sind schließlich immer im Dienst.
Hinter Angela Merkel und Peer Steinbrück liegen drei anstrengende Tage beim G-20-Gipfel in Pittsburgh. US-Präsident Barack Obama hatte die Regierungschefs und Finanzminister der wichtigsten Industrienationen und Schwellenländer Ende September 2009 eingeladen, um über Konsequenzen aus der Finanzkrise zu beraten. In Deutschland findet an diesem Wochenende die Bundestagswahl statt. Normalerweise wären die Kanzlerin und ihr sozialdemokratischer Minister zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor der Wahl nicht mehr gemeinsam aufgetreten. Stattdessen hätten sie sich wohl gegenseitig im Endspurt der Kampagne attackiert. Doch auf den deutschen Wahlkampf nehmen weder Barack Obama noch die Planungsstäbe im Weißen Haus Rücksicht. Und so kommt es, dass Merkel und Steinbrück bis zum buchstäblich letzten Tag der Legislaturperiode eng zusammenarbeiten müssen – und erst am Tag der Wahl die gemeinsamen Regierungsgeschäfte niederlegen und auseinandergehen.
Trotz der gewaltigen Herausforderungen durch die Finanzkrise ist es gut gelaufen in den letzten vier Jahren der Großen Koalition in Deutschland. Dieses Gefühl haben beide, Merkel wie Steinbrück, auf diesem gemeinsamen letzten Dienstflug nach Berlin. Noch in der Rückschau wird die Große Koalition gut beurteilt werden – besser sogar als zum Zeitpunkt ihres Bestehens und auffallend oft übrigens von Vertretern der Wirtschaft.
Die Wahl für diesen dritten G-20-Gipfel war 2009 auf Pittsburgh gefallen, weil Obama der Welt dort im provinziellen Pennsylvania demonstrieren wollte, wie der erfolgreiche Wandel von einer alten Stahl- und Eisenstadt zum modernen Dienstleistungszentrum funktioniert. Die Deutschen kennen die Schmerzen industrieller Umbrüche. Ihr Pittsburgh heißt Nordrhein-Westfalen. Peer Steinbrück ist viel durch den »Kohlenpott« gereist, wie das Ruhrgebiet früher genannt wurde. Nach wie vor kann er aus dem Stehgreif lange Geschichten über den schwierigen Strukturwandel an Rhein und Ruhr erzählen.
Die Parallelen zu Pittsburgh liegen auf der Hand: Über mehr als ein Jahrhundert lang hatten Wirtschaft und Politik fast ausschließlich auf Kohle und Stahl gesetzt. Als der Preisverfall auf den Weltmärkten einsetzte und ein rasanter Wandel zur digitalen Dienstleistungsgesellschaft den Stolz der traditionsreichen Montanindustrie brach, geriet eine ganze Region binnen weniger Jahre ins Abseits.
Auch für Angela Merkel, Steinbrücks künftige Gegnerin, sind Umbrüche zum festen Bestandteil ihres Lebens geworden. Der Kollaps der gesamten DDR-Wirtschaft nach der Wende hatte die promovierte Physikerin regelrecht geschockt. Besonders bitter war für die Ostdeutsche die Erkenntnis, dass eine ganze Industrie im scharfen Wind des Wettbewerbs über Nacht praktisch wertlos wurde. Das berührte nicht nur die Arbeitsplätze und die soziale Sicherheit der Menschen, sondern verletzte zugleich ihren Stolz. Merkel und Steinbrück wissen also beide, wovon sie reden, wenn es um Strukturwandel und die damit verbundenen Härten geht. Auch in Analyse und Lösung dieser Probleme sind sie sich aller parteipolitischen Differenzen zum Trotz bis heute prinzipiell einig: Auf Dauer kann kein Staat mit Subventionen den Wandel in Wirtschaft und Technik aufhalten. Doch für staatliche Übergangshilfen haben Merkel und Steinbrück gleichermaßen gekämpft. Manche dieser Gelder sind entgegen erster Absicht sogar sehr lange geflossen. Ob Kohlesubventionen, Werfthilfen oder die vielen Milliarden für den Aufbau Ost – in allen diesen Fällen lagen Merkel und ihr Kassenwart Steinbrück stets auf einer Linie. Selbst im komplizierten Fall Opel waren beide bereit, dem traditionsreichen Autobauer unter die Arme zu greifen, bis die US-Mutter General Motors schließlich den Versuch aufgab, den deutschen Steuerzahler für ihre Managementfehler in Rüsselsheim zur Kasse zu bitten.
Doch Steinbrück plagten auf diesem Rückflug vom G-20-Gipfel nach
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