Sterbensschön: Thriller -
habe.«
Jetzt verblasste ihr Lächeln endgültig, und sie warf einen Blick in den leeren Flur zurück. »Ich habe nicht viele Leute hier im Haus gesehen.«
»Hier wohnen auch nicht viele«, sagte Archie. Der Doppelschlag aus Überschwemmung und Wirtschaftskrise hatte die Sanierung des Gebäudes vorläufig auf Eis gelegt. Was Archie nur recht war.
»Na ja, dann wird es jedenfalls ruhig sein«, sagte Rachel. Sie seufzte, und ihre Brüste drückten gegen das Tanktop. »War nett, Sie kennenzulernen«, sagte sie. »Man sieht sich.«
Archie hatte das Bedürfnis, etwas zu sagen, aber ihm fiel nichts ein. Schließlich brachte er heraus: »Willkommen im Haus.«
Sie winkte linkisch und marschierte in Richtung Aufzug davon. Er sah ihr nach, solange er es unbemerkt tun konnte.
10
Susans Füße schmerzten. Sie hatte sich mit ihrem letzten Scheck vom Herald ein paar rote Frye-Motorradstiefel gekauft, und die Dinger brachten sie um, aber sie war entschlossen, sie einzulaufen. Es war August. Sie sollte Flip-Flops tragen. Aber Flip-Flops sahen nicht so toll zu einem kurzen schwarzen Rock aus wie rote Motorradstiefel von Frye.
Trotzdem musste sie sich jetzt irgendwo hinsetzen. Auf der Stelle.
Sie hämmerte an Archies Wohnungstür. Wenn er ihre Anrufe schon nicht beantwortete, konnte er ihr wenigstens ins Gesicht sagen, dass sie verduften sollte.
Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere und klopfte erneut.
Die Tür ging auf, und Archie spähte heraus. Er zog die Augenbrauen hoch und blinzelte, als wäre er überrascht. Das war für sich genommen nicht verwunderlich. Es war ja nicht so, als hätte er gewusst, dass sie kommen würde. Aber er sah auf eine Weise überrascht aus, als hätte er mit jemand anderem gerechnet.
»Hi«, sagte er.
»Auf wen haben Sie gehofft?«, fragte sie.
Archie warf einen Blick an ihr vorbei in den Flur. Susan schaute ebenfalls. Niemand war da. Sie hatte auf dem Weg nach oben niemanden gesehen.
»Meine Nachbarin war gerade da«, sagte Archie.
Wie auch immer. »Jetzt bin ich es«, sagte Susan. Sie bückte sich und zerrte sich einen Stiefel vom Fuß.
»Hi«, sagte Archie.
Susan war nicht in der Stimmung für Archies Quatsch. »Das sagten Sie schon. Jetzt lassen Sie mich endlich rein.« Sie zwängte sich mit einem Stiefel in der Hand an ihm vorbei und begann sofort, an dem zweiten Stiefel zu zerren.
»Lassen Sie mich raten«, sagte Archie. »Sie waren gerade in der Gegend.«
»Sie haben mich nicht zurückgerufen«, sagte sie. Die Stiefel waren von den Füßen. Sie stellte sie ordentlich neben die Tür und wackelte mit den Zehen. Ihre Socken passten nicht zueinander und stanken nach Schweiß und Hitze. Es gab nicht viele Menschen, in deren Gegenwart sich Susan sicher genug fühlte, um sie ihren Ausdünstungen in diesem Maß auszusetzen, aber Archie war einer von ihnen.
»Ich hatte eine Menge Nachrichten«, sagte Archie.
Sie war noch nie in Archies neuer Wohnung gewesen. Als sie sich kennengelernt hatten, war er frisch geschieden gewesen und hatte in einem traurigen Apartment in North Portland gewohnt, dann war er wieder zu seiner Familie in das schicke Haus in Hillsboro gezogen. Danach kam die Psychiatrie und ein Aufenthalt bei Henry Sobol – und jetzt das hier. Er hatte es versäumt, sie in seine neue Wohnung einzuladen. Bei Archie musste sie die Dinge gelegentlich selbst in die Hand nehmen.
Sie ging hinein und schaute sich um, und er schloss die Tür hinter ihr. Sie sah sein Handy in Trümmern auf dem Boden liegen und warf ihm einen Blick zu, aber er blieb ihr eine Erklärung schuldig.
Die Wohnung war hübscher, als sie erwartet hatte. Unverputzte Ziegelwände. Riesige Fabrikfenster. Hartholzböden. Hohe Decken mit freiliegenden Balken. Archie hatte nicht viele Möbel: ein paar Bücherregale, eine schlichte schwarze Couch, die brandneu aussah, ein paar Stühle, die Susan aus dem Haus in Hillsboro wiedererkannte. Die Küche war zum Wohnzimmer hin offen und voller Gerätschaften mittlerer Güte. Die Schlafzimmer konnte sie nicht sehen. Sie nahm an, es gab mindestens zwei davon – eins für ihn, eins für die Kinder. Es schien keine Deckenbeleuchtung zu geben, nur Steh- und Schreibtischlampen, die alle brannten. Ein paar Ventilatoren verteilten hektisch die warme Luft in der Wohnung.
Sie trat einen Schritt näher ans Fenster. Es dämmerte, und die Stadt lag in allen möglichen Aschetönen vor ihr. Die Aussicht war beeindruckend. Sie konnte den Mount St. Helens sehen. Nichts
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