Sterblich
Das ist das Alpha und Omega, wenn man etwas erschaffen will. Man muss die erste Scheu ablegen.«
Henning ist kurz davor, sich selbst an der Schule anzumelden, kehrt aber schnell in die Wirklichkeit zurück.
»Mit anderen Worten, es gibt keine Eifersucht?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber klar, wir Lehrer und Dozenten bekommen natürlich längst nicht alles mit«, sagt er und lacht. Dann wird Foldvik bewusst, wonach Henning gefragt hat.
»Glauben Sie, dass das etwas mit dem Mord zu tun hat?«, fragt er. »Eifersucht, meine ich.«
»Im Moment glaube ich noch gar nichts.«
Ich höre mich an wie ein Polizist, denkt Henning. Nicht das erste Mal.
»Ich dachte, ihr Freund wäre wegen des Mordes festgenommen worden?«
»Er steht nur unter Verdacht.«
»Ja, aber er war es doch wohl? Wer sollte es denn sonst gewesen sein?«
Henning hätte ihn am liebsten gefragt, wieso er denn wohl hier wäre, verkneift sich den Kommentar aber. Von ihm aus können sie noch eine Weile beim Angenehmen bleiben, aber Foldvik nimmt jetzt eine Abwehrhaltung ein.
»Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass es auch unter den Studenten zu Reibereien kommt, aber das ist nichts Ungewöhnliches in einer kreativen Gruppe, in der häufig konträre Meinungen über die gleichen Projekte existieren.«
»Gibt es unter ihren Studenten auch solche, deren Ellenbogen spitzer sind als die ihrer Kommilitonen?«
»Nein, das würde ich nicht sagen.«
»Wollen Sie das nicht sagen, oder wissen Sie es nicht?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß aber auch nicht, ob ich es Ihnen sagen würde, wenn ich es wüsste.«
Henning lächelt innerlich. Er lässt sich von dem etwas weniger angenehmen Ton, der sich im Laufe der letzten Minute in ihre Konversation geschlichen hat, nicht stören.
»Eine Filmgesellschaft hat eine Option auf ein Filmmanuskript von Henriette Hagerup gekauft, stimmt das?«
»Ja, das ist richtig.«
»Welche Gesellschaft ist das?«
»Die nennt sich Freie Film-Fabrik, eine gute Firma, seriös.«
Henning notiert sich den Namen.
»Kommt es häufiger vor, dass Studenten noch während des Studiums Projekte an seriöse Firmen verkaufen?«
»Das kommt immer mal wieder vor, ja. Es gibt da draußen eine ganze Reihe von Gesellschaften, die händeringend nach neuen, frischen Stimmen suchen. Aber wenn ich ehrlich sein soll, waren viele Drehbücher wirklich nicht gut.«
»Dann gibt es hier auf der Schule gleich mehrere Studenten, die noch in der Ausbildung versuchen, auf dem Filmmarkt mitzumischen?«
»Das ist richtig. Ja. Alles andere wäre eine Lüge. Einige Studenten sind so überzeugt von sich, dass sie sich an der Schule eigentlich fehl am Platze fühlen. Sie wollen lieber heute als morgen raus in die Wirklichkeit und Filme drehen, produzieren oder schreiben.«
»Menschen mit einem ausgeprägten Ego also?«
»Das findet man bei ambitionierten Menschen ja häufig. Und oft haben die begabtesten Studenten tatsächlich auch die ausgeprägtesten Egos.«
Henning nickt. Es entsteht eine Pause. Ein gerahmter Zeitungsartikel, der vor Foldvik an der Wand hängt, weckt Hennings Interesse. Es ist ein Bericht aus der Dagsavisen . Der junge Mann, der auf dem Foto zu sehen ist, kann nur Foldviks Sohn sein, denkt er. Der gleiche Mund, die gleiche Nase. Teenager, schätzt Henning. Da Vinci Code light lautet der Titel, und im Lauftext geht es tatsächlich um einen Stefan Foldvik, der vor einiger Zeit einen Skript-Wettbewerb gewonnen hat.
»Wie ich sehe, liegt das Interesse für Filme bei Ihnen in der Familie«, sagt Henning und deutet auf den Artikel. Häufig, wenn er jemanden interviewt, wechselt er abrupt das Thema und spricht über etwas Persönliches, leicht Greifbares, zu dem es im Umfeld einen Bezug gibt. Es ist nicht leicht, ein gutes Interview hinzubekommen, wenn man nur über das Kernthema spricht. Viel einfacher ist es, wenn man den Rahmen durchbricht und etwas findet, über das der Interviewpartner gerne spricht und zu dem man selbst auch etwas sagen kann. Darüber hinaus ist es nie falsch, auch das eine oder andere Detail aus dem eigenen Leben anzubieten, damit das Interview eher wie ein Gespräch wirkt. Schließlich geht es darum, den Interviewpartner vergessen zu lassen, dass er interviewt wird. Die besten Informationen liegen häufig in dem, was man sagt, ohne groß darüber nachzudenken.
Henning hofft, dass das auch bei Foldvik wirkt, der einen Blick auf den Zeitungsartikel wirft und lächelt.
»Ja, das ist oft so. Stefan hat diesen
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