Sterblich
Sie weiterzugeben. Und ich weiß auch nicht, ob es mir so recht ist, dass Sie meine Studenten weiterhin mit dieser Sache quälen. Das war für uns alle ein sehr harter Schlag.«
Ja, ich erinnere mich, denkt Henning. Er belässt es dabei.
»Haben Sie eine Kopie des Skripts für dieses Filmprojekt?«
Foldvik seufzt.
»Wie gesagt, ich habe nur kurz mit Henriette darüber gesprochen. Sie hat mir versprochen, mir das Skript zu mailen, sobald sie damit fertig ist, aber ich habe nie etwas bekommen.«
»Was passiert jetzt mit dem Film?«
»Keine Ahnung, wir haben noch nicht darüber nachgedacht. Haben Sie noch mehr Fragen? Ich habe gleich eine Besprechung.«
Foldvik steht auf.
»Nein, ich glaube nicht«, antwortet Henning.
37
Dreads knutscht schon wieder wild, als Henning zurück ins Erdgeschoss kommt. Meine Güte, denkt er, der Kerl macht ja die reinsten Wiederbelebungsversuche bei ihr. Henning räuspert sich. Dreads schaut hoch. Mit dem Überwinden der ersten Hemmungen, wovon Yngve Foldvik so enthusiastisch gesprochen hat, scheint Dreads definitiv keine Probleme zu haben.
»Danke noch mal«, sagt Henning. »Es war wirklich einfach, Foldviks Büro zu finden.«
»Keine Ursache.«
Dreads fährt sich mit der Zunge über die Lippen.
»Darf ich Sie wohl um noch einen Gefallen bitten? Ich bin Journalist, wissen Sie, und schreibe einen Artikel über Henriette Hagerup und wie die Studenten dieses grauenvolle Ereignis verarbeiten. Geplant ist ein ausführlicherer Bericht, der die plötzliche Leere aufgreifen soll und der Frage nachgeht, inwiefern so ein Ereignis eine Studiengruppe prägt.«
Dreads nickt interessiert. »Und wie kann ich Ihnen da weiterhelfen?«
»Gibt es vielleicht eine Liste, wer mit ihr in eine Klasse gegangen ist? Sie haben so etwas nicht zufällig auf Ihrem Rechner?«
»Doch, glaube schon. Kleinen Moment«, sagt er, klickt und schreibt etwas. Die Beleuchtung des Computerbildschirms spiegelt sich in seinen Augen.
»Wollen Sie einen Ausdruck?«, fragt Dreads.
Henning lächelt.
»Ja, danke. Gerne.«
Ein Klick, ein Tastendruck, und der Drucker beginnt zu summen. Ein Blatt Papier gleitet heraus. Dreads holt es und reicht es ihm.
»Super! Vielen Dank«, sagt Henning und nimmt das Blatt entgegen. Er überfliegt die insgesamt zweiundzwanzig Namen. Einen davon hat er bei seinem ersten Besuch auf einer der Karten gelesen. Ich vermisse dich, Henry. Vermisse dich sehr. Tore .
Tore Benjaminsen.
»Entschuldigung«, sagt er zu dem barmherzigen Samariter auf der anderen Seite der Schranke, der schon wieder auf dem Weg zu seiner halb vernaschten Liebsten ist. Er dreht sich um, als er Hennings Stimme hört.
»Ja?«
»Kennen Sie Tore Benjaminsen?«
»Tore, ja klar. Den kenne ich. Alle kennen Tore.«
»Ist er hier? Ich meine, haben Sie ihn heute schon gesehen?«
»Ja, noch vor Kurzem, er war draußen.«
Henning wendet sich um.
»Wie sieht er aus?«
»Kurze Haare, klein und schmächtig. Wahrscheinlich trägt er eine dunkelblaue Jacke, die trägt er immer.«
»Danke für Ihre Hilfe!«, sagt Henning und lächelt. Dreads hebt eine Hand und deutet eine Verbeugung mit dem Kopf an. Henning geht nach draußen und sieht sich um. Sofort erblickt er Tore Benjaminsen. Er raucht, ist einer von denen, die auch schon geraucht haben, als Henning vor einer knappen Stunde das Schulgelände betreten hat.
Tore und das Mädchen, mit dem er zusammensteht, bemerken ihn, ehe er bei ihnen ist. Sie scheinen zu ahnen, dass er etwas von ihnen will, beenden ihr Gespräch und schauen ihn an.
»Sind Sie Tore?«, fragt Henning. Benjaminsen nickt. Jetzt erkennt Henning ihn. Tore wurde vor ein paar Tagen von Petter Stanghelle interviewt, im Nieselregen vor dem Schulgebäude. Henning hat nicht gelesen, was Tore über seine verstorbene Kommilitonin gesagt hat, aber er erinnert sich an die Björn-Borg-Unterhose.
»Henning Juul«, stellt er sich vor. »Ich arbeite für 123nyheter . Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Tore sieht seine Freundin an.
»Wir reden nachher weiter«, sagt er und legt eine bedeutungsschwere Miene auf. Tores Ego zu streicheln, wird kein Problem werden.
Seine Hand fühlt sich wie die eines kleinen Kindes an, als sie sich begrüßen und auf der nächsten Bank Platz nehmen. Tore zieht eine Zigarettenschachtel heraus, klopft einen weißen Glimmstängel heraus und bietet ihn Henning an. Er lehnt höflich ab, nicht ohne einen sehnsüchtigen Blick auf seinen alten Freund zu werfen.
»Ich dachte, Henriette
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