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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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es heute noch schaffe, ich habe viel zu tun, aber ich komm so schnell wie möglich. Ach, noch was, Mama. Mach niemandem die Tür auf, den du nicht kennst. Okay?«
    »Wieso sollte ich überhaupt jemandem die Tür aufmachen? Mich kommt ja doch niemand besuchen.«
    »Falls doch jemand außer Trine oder mir bei dir klingeln sollte, mach bitte nicht auf.«
    »Ihr habt einen Schlüssel.«
    »Ja, aber du …«
    »Eine Fernsehzeitung brauche ich auch.«
    »J…«
    »Und Zucker. Ich habe keinen Zucker mehr.«
    »Okay. Bis bald.«
    Klick.

46
    Zaheerullah Hassan Mintroza isst wie am Tag zuvor Chicken Biryani mit Chapati, aber es schmeckt nicht so wie in Karatschi. Nie. Er versteht nicht, woran das liegt, denn fast täglich werden die exakt gleichen Zutaten aus Pakistan eingeflogen, und auch die Köche sind Pakistani. Aber vielleicht sind die Töpfe schuld, in denen die Speisen zubereitet werden, oder die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit oder die mangelnde Liebe, mit der das Essen gekocht wird.
    Hassan erinnert sich noch an Julie, mit der er vor ein paar Jahren zusammen gewesen ist. Sie hat ihn eines Abends, als er sie besuchte, mit einem pakistanischen Lammeintopf mit Minzchutney und Naan-Brot überrascht. Das Rezept hatte sie von Wenche Andersen aus Guten Morgen, Norwegen . Julie hat sich sogar die Mühe gemacht, das Naan-Brot selbst zu backen.
    Es hat gut geschmeckt, mehr aber auch nicht. Echtes Naan-Brot kommt aus dem Tandooriofen, in dem es ganz hinten für nur fünfzehn bis zwanzig Sekunden gebacken wird. Außerdem war in dem Lammtopf zu viel Koriander und Ingwer, dafür aber zu wenig Chili.
    Einen Monat später verließ er sie, keine seiner anderen Geliebten hat seither für ihn kochen dürfen. Er bezahlt ihre Miete schließlich nicht, um ein gepflegtes Abendessen vorgesetzt zu bekommen, wenn er sie besucht. Nein, inzwischen wissen sie, was er von ihnen verlangt.
    In Pakistan sind alle Köche Männer. Frauen können sich nicht mit ihnen messen. So einfach ist das.
    Hassan sieht sich eine Folge von MacGyver an, als das Handy, das neben seinem Teller liegt, zu vibrieren beginnt. Er schluckt einen etwas zu großen Bissen Hähnchen, das er mit Mühe herunterwürgen muss, und spült rasch einen Schluck Cola nach, ehe er das Gespräch annimmt. »Ja«, sagt er scharf. Das Hähnchen ist noch immer irgendwo auf dem Weg nach unten.
    »Hier ist Mohammed, wir haben ihn gefunden.«
    Hassan schluckt noch einmal.
    »Gut. Wo ist er?«
    Mehr Cola.
    »Er spaziert in den Straßen herum. Im Moment ist er auf dem Grønlandsleiret. Sollen wir ihn uns sofort schnappen?«
    Hassan stochert mit der Gabel auf seinem Teller herum.
    »Am helllichten Tage? Hast du nicht mehr alle? Wir können wirklich nicht noch mehr schlechte Publicity gebrauchen.«
    »Okay.«
    Hassan nimmt noch einen Bissen.
    »Außerdem will ich gerne mit ihm reden, bevor er stirbt. Ich will wissen, woher diese schrecklichen Narben stammen«, sagt Hassan. Dann legt er die Gabel neben den Teller und wischt sich den Mund ab.
    »Okay.«
    »Passt auf, wo er sich den Rest des Tages aufhält, und tut nichts, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben.«
    »Okay.«
    »Und stellt ein Auto vor seine Wohnung und seine Arbeitsstätte.«
    »In Ordnung, Chef.«
    Hassan legt auf und isst weiter. Morgen gibt es definitiv kein Chicken Biryani. Nein, eher eine Dal-Suppe oder im Tandooriofen am Spieß gegrillte Königskrabben mit Zwiebeln und Paprika. Ja, Königskrabbe passt gut, ein königliches Essen, einem König würdig.

47
    Kurz vor vier Uhr nachmittags entschließt Henning sich, doch noch einmal in die Redaktion zu gehen. Er arbeitet zwar an keinem Artikel, dafür sind seine Rechercheergebnisse noch nicht ausgereift genug, aber vielleicht warten ja andere Aufgaben auf ihn. Er hat schließlich einen Job zu erledigen. Außerdem war er seit dem frühen Morgen nicht mehr in der Redaktion. Ich muss Heidi und Kåre einen kurzen Bericht liefern, denkt er, und vielleicht auch mit Gundersen reden, sollte er da sein.
    Er überquert die Straße am Vaterlandspark und hastet durch den dichten Verkehr, als ihm plötzlich auf der anderen Seite der Kreuzung ein Auto auffällt. Kein silbergrauer Mercedes, sondern ein Volvo, das Modell kann er auf die Distanz nicht genau erkennen. Der Wagen fällt ihm auf, weil der Fahrer noch einmal kräftig Gas gibt, als die Ampel auf Gelb springt, dann aber doch mit quietschenden Reifen bremsen muss, weil das Auto vor ihm hält. Der Fahrer hupt. Typisch, ständig wird in

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