Sterblich
zu kämpfen.
Weiter oben geht eine Tür auf. Vielleicht will Frau Steen doch nachprüfen, ob wirklich jemand von Fleurop gekommen ist. Mist, flucht er im Stillen. Was mache ich jetzt? Die Tür knallt scheppernd zu. Er bleibt stehen. Hört Schritte nach unten kommen. Frauenschuhe. Soll ich umkehren und mich verdrücken?
Im gleichen Augenblick geht noch eine Tür. Henning bekämpft den Drang, nach oben zu sehen.
»Oh, hallo«, hört er etwas weiter oben.
»Ich bin’s nur, Frau Steen, ich gehe einkaufen.« Henning meint, eine gewisse Resignation in der Stimme zu hören. Freundlich, aber resigniert.
»Hallo.«
Wie zum Teufel soll ich erklären, was ich hier zu suchen habe, wenn die Frau an mir vorbeikommt und wissen will, wer ich bin?
»Brauchen Sie vielleicht etwas?«, fragt jemand Frau Steen.
»Wenn Sie so nett wären, mir eine Hier & Jetzt mitzubringen? Da steht heute etwas über Hallvard Flatland drin, hab ich gehört. Den mag ich sehr.«
»Ja, natürlich.«
»Warten Sie, ich hole nur schnell das Geld.«
»Kein Problem, das können Sie mir später geben.«
Die Stimmen hallen von den Wänden wider.
»Vielen Dank, das ist wirklich nett von Ihnen.«
Klack, klack. Die Schritte sind wie Trommelschläge in seinen Ohren. Er greift sich die Trittleiter und macht einen Schritt nach oben. Als er die Frau über sich näher kommen hört, hält er die Leiter vor sich und senkt den Blick. Sie sind jetzt auf demselben Treppenabsatz, gehen aufeinander zu. Er sieht nur ihre Füße, hohe Absätze, murmelt ein »Hallo« und geht weiter. Sie erwidert seinen Gruß und klackert an ihm vorbei, wobei ihn der intensive Parfümduft fast umhaut. Der Geruch ist so süß und schwer, dass er ihm den Atem raubt und in den Nasenlöchern brennt. Dann hört er sie unten ankommen, die Tür öffnen und rausgehen, ehe die Tür mit einem Knall hinter ihr ins Schloss fällt.
Er bleibt stehen und holt Luft, wartet, bis es wieder still im Treppenhaus ist. Dann dreht er sich um und geht langsam nach unten, er tritt vorsichtig auf und hofft, dass Frau Steen nicht mitbekommt, dass noch jemand im Treppenhaus ist. So schleicht er bis runter ins Erdgeschoss und sieht mit asymmetrischer Kinderschrift auf ein Holzschild geschrieben den Namen Foldvik an der dunkelblauen Tür. Die Buchstaben sind in das Holz gelötet. Er stellt die Trittleiter weg und klopft, zweimal. Für den Fall, dass wirklich nur die Klingel kaputt war.
Er wartet, lauscht auf Schritte. Nichts. Er klopft noch zweimal, aber es ist niemand zu Hause.
Er will sich gerade umdrehen, als er sieht, dass die Tür nur angelehnt ist. Seltsam, denkt er und macht einen Schritt nach vorn. Er sieht sich um, obgleich er weiß, dass sich außer ihm niemand mehr im Treppenaufgang befindet. Dann stupst er vorsichtig gegen die Tür. Sie schwingt auf. Soll ich das wirklich tun, denkt er, soll ich wirklich da reingehen und nachgucken?
Nein. Wieso sollte er? Es gibt keinen triftigen Grund. Juristisch betrachtet kommt das einem Einbruch gleich. Und wie zum Teufel soll er seine Anwesenheit dort drinnen erklären, falls plötzlich jemand auftaucht? Foldvik zum Beispiel?
Dreh um, Henning, beschwört er sich selbst. Dreh um, und geh, bevor es zu spät ist. Aber er schafft es nicht. Er schlüpft in die Wohnung. Drinnen ist es dunkel bis auf den schmalen Streifen Licht, der aus dem Treppenhaus in den Flur fällt. Er will nichts anfassen, darum drückt er auch nicht automatisch auf den Lichtschalter, den er links hinter der Tür entdeckt. Das ist ein ganz schlechter Einfall, sagt er zu sich, dreht aber nicht um. Er kann gar nicht sagen, wonach er eigentlich sucht, ob er erwartet, etwas zu finden, das Foldvik in ein kriminelles Licht rücken könnte. Sein Computer? Aber den wird er ganz sicher nicht anrühren, außer er ist angeschaltet und die interessanten Dateien geöffnet.
Er geht durch den Flur. Schuhe, Schuhschrank, Jacken an Haken, Kleiderschrank, ein Sicherungskasten. Rauchmelder unter der Decke. Sie haben Rauchmelder, gut. Er bleibt stehen und wartet. Rotes Blinken. Das ist sein Signal.
Es riecht nach Mittagessen, als er weitergeht. Er tippt auf Lasagne. Vor ihm, ein paar Meter weiter den Flur entlang, ist eine Tür, an der ein rotes Filzherz hängt. Die nächste Tür auf der linken Seite führt in die Küche. Als Erstes sieht er einen ziemlich verdreckten Herd. Auf der einen Platte steht ein Topf mit einem Rest Spaghetti.
Er geht weiter, kann nirgendwo Boxen an den Wänden entdecken, die wie
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