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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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Interview aufhängen könnte. Wahrscheinlich würde der Beitrag am Desk erst mal einer strengen Zensur unterzogen werden müssen. Dennoch verlässt er den Wohnblock mit dem sicheren und durchaus beruhigenden Gefühl, dass das Treppenhaus für den Rest des Abends gut überwacht wird.

53
    Mit dem Helm ist er kaum zu erkennen, besonders mit nach unten geklapptem Visier. Außerdem schlägt er den Kragen bis zum Kinn hoch.
    Die Vespa springt gleich an. Er kommt sich wie ein Sechzehnjähriger auf dem Weg zu einem heimlichen Stelldichein vor, als er die Steenstrups gate hochknattert und zügig an der Kunsthochschule und an Foss’ Weiterführender Schule vorbeifährt. Das Praktische an so einem wendigen fahrbaren Untersatz ist, dass man überall durchkommt, und falls er feststellen sollte, dass ihn ein Auto verfolgt, kann er jederzeit auf Bürgersteige, Fußwege oder schmale Gassen ausweichen.
    Er braucht nicht lange bis zum Alexander Kiellands plass, wo noch viele Leute in den Straßenlokalen sitzen. Er sieht die Fontänen weiter unten Richtung Telthusbakken, kreuzt die Uelands gate und registriert die Obdachlosen und Junkies vorm Café Trappa. Es ist ein gutes Gefühl, wieder unterwegs zu sein. Das letzte Mal ist lange her.
    Die Vespa ist eines der wenigen Dinge, die er nach dem Tod seines Vaters übernommen hat. Er will nicht behaupten, dass er sie gut behandelt hat, im Grunde genommen lässt er sie im Innenhof verstauben, sommers wie winters, sodass es ihn jedes Mal gleichermaßen überrascht, wie zufrieden sie schnurrt, wenn er sie mal benutzt.
    Im hinteren Teil der Bjernegaards gate parkt er vor dem Rema 1000, hängt den Helm über den Lenker und schaut nach links und rechts, ehe er die Straße überquert. Er sieht die Hausnummer 20. Yngve Foldvik wohnt 24B.
    Er bleibt vor der rot gestrichenen Eingangstür des Foldvik-Hauses stehen und wirft einen Blick auf die Klingelschilder. Auf dem mittleren steht FOLDVIK . Er drückt die Klingel, wartet und überlegt sich, was er eigentlich sagen will und wie er es formulieren soll. Er ist fast sicher, dass Yngve Foldvik der Harald Gaarder aus dem Drehbuch ist. In diesem Fall spielt er eine wichtige, aber nicht auf den ersten Blick verständliche Rolle. Und genau deshalb will Henning mit ihm reden.
    Er klingelt noch einmal. Vielleicht ist die Klingel ja kaputt, denkt er. Oder es ist niemand zu Hause. Beim dritten Klingeln stellt er sich darauf ein, vergeblich gekommen zu sein. Er flucht, probiert es mit der Klingel daneben, auf der STEEN steht, um sicherzugehen, dass nicht die ganze Klingelanlage im Eimer ist. Gleich darauf hört er eine metallische Stimme schnarren: »Hallo?«
    »Hallo, ich bin von Fleurop. Ich habe eine Lieferung für die Foldviks. Sie scheinen nicht zu Hause zu sein. Könnten Sie mich reinlassen?«
    Er schließt die Augen und denkt, dass er gerade dabei ist, sich vollends lächerlich zu machen. Kurz darauf summt der Türöffner. Er zieht die Tür auf und geht hinein. Er kann nicht genau sagen, wieso er das tut, da bei Foldviks ja offensichtlich niemand zu Hause ist. Ich will mich nur ein bisschen umsehen, denkt er, Witterung aufnehmen, wie Jarle Høgseth es ihm empfohlen hat. Gebrauch deine Sinne, Henning. Gebrauche sie, um dir einen Eindruck von dem Menschen zu machen, den du interviewen willst.
    Der Innenhof ist nicht übermäßig groß. Auf dem asphaltierten Boden kleben Blätter wie störrische Aufkleber, die vermutlich noch vom letzten Herbst stammen. Ansonsten ist das Geviert erstaunlich frei von jeder Art von Grün. In der Mitte der freien Fläche steht eine Topfpflanze, deren Namen er nicht kennt. An einer Wand lehnt ein unabgeschlossenes Fahrrad.
    Das Gebäude hat zwei Türen, eine direkt vor ihm und eine rechts von ihm. Er geht zuerst zu der rechten, weil sie näher ist, entdeckt aber kein Klingelschild, auf dem Foldvik oder Steen steht. Bei der anderen Tür findet er beide Nachnamen und drückt noch einmal bei Steen. Ohne dass er sich noch ein zweites Mal ausweisen muss, summt der Türöffner, und er kann ungehindert eintreten.
    Treppenaufgänge geben einen guten ersten Eindruck, wie Menschen wohnen und leben. Ein Kinderwagen versperrt eine Tür, die mit größter Wahrscheinlichkeit in den Keller führt. Hinter dem Wagen steht ein ausgedienter Regenschirm. Eine Trittleiter mit Restspuren weißer und dunkelblauer Farbe lehnt daneben an der Wand. Die Briefkästen sind grün. Es riecht muffig feucht. Die Eigentümergemeinschaft hat sicher mit Schimmel

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