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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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Henning, nur du selbst.
    Aber wie? Was kann ich tun? Was kann ich sagen?
    Sie fahren nicht weit, und bevor er sich recht besinnen kann und weiß, wo sie sind, fährt das Auto in eine Waschhalle. Es wird schlagartig dunkel. Der Wagen bleibt stehen, aber keiner der Insassen steigt aus. Hinter ihnen gleitet langsam das Tor herunter.
    Da fühlt Henning den Lauf einer Pistole in der Seite. Er schnappt nach Luft.
    »Aussteigen.«
    Er starrt auf die Waffe, die zwischen seine Rippen gedrückt wird.
    »Aussteigen, habe ich gesagt!«, ertönt die tiefe Stimme erneut.
    Henning öffnet die Tür und tritt auf nassen Beton. Es riecht wie in allen Waschhallen, nach einer Mischung aus Feuchtigkeit und einem undefinierbaren Waschmittel. Aber die Halle ist leer.
    Die Türen schlagen mit einem Knall zu, der von den Wänden widerhallt. Warum habe ich Bjarne nichts davon gesagt?, denkt er. Wieso habe ich ihm nicht erzählt, dass ich mit den Burning Boys noch eine Rechnung zu begleichen habe, dass sie bei mir zu Hause waren, meinen PC gestohlen haben und mich seit Tagen beschatten? Brogeland kennt diese Typen. Weiß, dass nicht mit ihnen zu Spaßen ist. Scheiße, selbst Nora hat ihn gewarnt.
    Nora, denkt er. Hab ich dich zum letzten Mal gesehen?
    Er hört, wie eine Tür aufgeht, und sieht, wie aus einer Art Glaskasten ein Mann tritt, der lächelt.
    »Henning!«, sagt er vertraulich, als würden sie sich schon ewig kennen.
    Henning antwortet nicht, starrt den Mann nur an.
    »Ich habe ziemlich viele Namen, aber die meisten nennen mich Hassan«, sagt er und streckt ihm seine Hand entgegen. Henning greift danach und drückt zu. Fest. Hassans Lächeln offenbart einen Goldzahn in der ansonsten tadellosen oberen Zahnreihe. Er trägt ein Unterhemd. Goldkette um den Hals. Henning starrt auf die Tätowierungen auf seinen beiden Armen. Ein grüner Frosch auf dem einen, ein schwarzer Skorpion auf dem anderen.
    Hassan streicht sich über den frisch gestutzten Bart.
    »So«, sagt er und geht einmal um ihn herum. »Sie wissen sicher, weshalb Sie hier sind?«
    Henning zeigt auf seine feuchten Kleider.
    »Wahrscheinlich nicht, um gewaschen zu werden.«
    Hassan lacht laut. Das Lachen schallt hohl von den Wänden wider. Er sieht die anderen an, während er weiter Henning umkreist.
    »Sie haben mir richtig Schwierigkeiten eingebrockt«, sagt Hassan schließlich, ohne ihn anzusehen. Henning steht reglos auf der Stelle und konzentriert sich auf seinen Atem. Er hat das Gefühl, jeden Moment den Boden unter den Füßen weggezogen zu bekommen und zu fallen. Seine Gedanken jagen in alle Richtungen, er versucht, sie einzufangen, aber eine überwältigende Einsamkeit lähmt ihn. Wahrscheinlich muss es genau so sein, denkt er, genau so. So und nicht anders hat er es verdient. Niemand steht an seiner Seite, wenn es eng wird.
    Zeig keine Furcht, ermahnt er sich selbst. Zeig dich ihnen nicht in deinem jämmerlichsten Zustand, aller Würde beraubt. Wenn es jetzt so weit ist, dem Tod gegenüberzutreten, dann tu es erhobenen Hauptes.
    Dieser Gedanke wirkt wie ein Stoß gegen den Rücken. Darum sagt er: »Ich weiß.«
    Hassan bleibt stehen.
    »Das wissen Sie?«
    »Ja, dazu braucht es nicht viel. Yasser Shah, einer Ihrer Handlanger, wird gesucht, weil er Tariq Marhoni umgebracht hat. Ich möchte jetzt nicht in eurer Haut stecken, mit so viel heat hinter jeder Hausecke. Haben Sie Heat gesehen, Hassan? Mit Al Pacino und Robert de Niro in den Hauptrollen?«
    Hassan schüttelt den Kopf, lächelt erneut. Dann setzt er sich wieder in Bewegung, langsam.
    »Ein Klassiker. Es geht darum, dass man sein Herz nicht an Dinge hängen darf, die man nicht im Laufe von dreißig Sekunden über Bord werfen kann, falls es brenzlig um einen wird, wenn man als Krimineller erfolgreich sein will. Und ich gehe doch wohl recht in der Annahme, dass Sie nicht vorhaben, von hier zu verschwinden und alles über Bord zu werfen, Hassan?«
    Hassan lacht abgehackt, antwortet aber nicht.
    »Dann haben wir ein Problem.«
    Hassan sieht Henning an.
    »Wir?«
    »Sie werden ja wohl nicht so dumm sein, mich umzubringen, weil Yasser Shah seine Arbeit nicht ordentlich gemacht hat?«
    Hassans Schritte werden kürzer. Henning beschließt, mit seiner Strategie fortzufahren, solange Hassan noch damit beschäftigt ist, die Situation einzuschätzen und seine Gedanken zu sortieren.
    »Yasser Shah ist auf der Flucht vor der Polizei, die längst weiß, dass Tariq Marhonis Bruder mit euch verbandelt ist. Man muss nicht

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