Sterblich
dass er sich mit mir oder jemand anderem bei der Polizei in Verbindung setzen soll.«
Brogeland überreicht ihm eine Visitenkarte, die Hassan widerstrebend annimmt, ohne sie genauer anzusehen. Träum weiter, Bulle.
»Wir wissen, was Sie hier betreiben, Hassan.«
Hassan gibt sich Mühe, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen, er spürt aber, wie ihm die Hitze in die Wangen steigt. Aber die Drohung kommt nicht. Sie ist längst ausgesprochen worden. Und das begreift Hassan in diesem Moment.
Brogeland sagt nichts. Er hat bereits angedeutet, dass sie die Waschhalle in nächster Zeit überwachen werden. Zum einen, um Yasser Shah zu erwischen, zum anderen, um Hassans Machenschaften ein wenig auf den Grund zu gehen.
Hassan starrt Brogeland und den beiden anderen Polizisten hinterher, als sie in ihre Wagen steigen. Vielleicht sollte ich der Polizei auch ein Sonderangebot machen, denkt Hassan, als sie vom Gelände fahren. Gratis Autowäsche für die Leichen auf dem Grund des Oslofjords.
Er steuert die Halle an und winkt die anderen zu sich. Gemeinsam gehen sie in den Glaskasten. Hassan bleibt stehen. Er sieht sie der Reihe nach an.
»Sie wissen, dass es Yasser war«, sagt er.
»Woher sollen sie das wissen?«, fragt Mohammed.
»Bist du so blöd, oder tust du nur so? Yasser hat doch gesagt, dass da noch jemand war. Der muss ihn gesehen und bei der Polizei identifiziert haben. Der kann uns alles kaputt machen.«
»Wer? Yasser?«
Hassan seufzt und schüttelt den Kopf.
»Der Zeuge, du Idiot!«
Mohammed duckt sich.
»Es ist mir egal, wie ihr es anstellt, aber ihr müsst diesen Kerl finden.«
Hassan sieht sie wieder der Reihe nach an.
»Lest alles an Zeitungen, was ihr in die Finger bekommt, redet mit Leuten, die ihr kennt, für den Fall, dass einer den Namen des Zeugen gehört hat. Yasser meinte, der Mann hätte Narben im Gesicht gehabt. Brandnarben. Das dürfte es einfacher machen. Findet die Polizei keine anderen Beweise gegen Yasser, kann ihm und uns nur dieser Zeuge gefährlich werden. Sagt mir Bescheid, sobald ihr den Kerl gefunden habt.«
»Und was willst du dann mit ihm machen?«, fragt einer der anderen. Hassan atmet tief ein.
»Was ich mit ihm machen will? Was glaubst du wohl, was ich mit ihm machen will?«
Henning schreibt das Interview mit Tariq fertig und schickt es los, wobei er mit Großbuchstaben vermerkt, dass sein Name und sein Foto unter keinen Umständen darunter gesetzt werden dürfen, wenn der Artikel veröffentlicht wird. Er hat zwar nicht vor unterzutauchen, will sein Konterfei aber auch nicht wie auf einem Plakat ausstellen.
Er sieht auf die Uhr. Mist. Das Vinmonopol hat schon zu. Und ohne St. Hallvard will er nicht zu seiner Mutter fahren. Er beschließt, stattdessen nach draußen zu gehen. Sicher läuft noch das eine oder andere Training, das er sich ansehen kann, denkt er, um ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Die Sonne über der Segeltuchfabrik trifft ihn im Nacken, als er ins Freie tritt. Vor Mr. Tangs Lokal stehen ein Tisch und zwei Stühle. Unter dem Tisch liegt ein Hund mit geschlossenen Augen. Er tippt auf einen Irish Setter.
Als Junge hat er Hunde geliebt. Und diese Liebe beruhte auf Gegenseitigkeit. Seine Großeltern hatten eine Hündin, Bianca, die ihn vergötterte. Und diese Liebe nahm nur noch zu, nachdem er plötzlich allergisch auf sie reagierte.
Ein gelber Opel Corsa rast den Markveien hoch, als er die Straße überqueren will. Bei gelben Autos muss Henning immer an Jonas denken. Eines Tages, auf dem Rückweg vom Kindergarten, hat Jonas auf einmal auf alle gelben Autos gezeigt, die er gesehen hat. Es ging darum, wer sie zuerst sieht. Das Gleiche wiederholte sich am nächsten Tag. Und am Tag danach. Den ganzen Sommer über. Es vergeht kein Tag, an dem Henning keine gelben Autos sieht. Und jedes Mal hört er sich selbst rufen: »Gelbes Auto!« Und Jonas, der antwortet: »Aber ich hab’s zuerst gesehen«, »Das war gar nicht richtig gelb«, oder: »Das zählt nicht, wir haben noch gar nicht angefangen.«
Kinder. Machen aus den merkwürdigsten Dingen ein Spiel.
Es gibt kaum einen freien Flecken rund um den ganzen Platz. Fußballspieler, Eltern, Bälle, Kinderwagen. Er sitzt, wo er immer sitzt, neben dem Bittersüßen Nachtschatten. Er sieht sich abwechselnd Spiele und Trainingseinheiten an, kennt die meisten draußen auf dem Platz. All die Jungs. Einer von ihnen hat eine Tüte Chips mit auf den Platz genommen. Ein blonder Knirps mit Torwarthandschuhen macht einen
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