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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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nehmen.
    Sture war gut in diesen Dingen, die etwas mehr Zeit erforderten. Anfang der Neunziger hat er den von Journalisten selbst ins Leben gerufenen SKUP-Preis erhalten, und zwar für eine Artikelserie über den Wirtschaftsminister, die schließlich zu dessen Rücktritt führte. Sture wurde zu einem Superstar in der Branche. Er nutzte seinen Status, um sich bei einem anderen Blatt bessere Konditionen auszuhandeln, landete bei der renommierten Wirtschaftszeitung Dagens Næringsliv , schrieb nebenbei ein paar Bücher über Finanz-Akrobaten, wechselte zu TV 2, bevor er ausstieg und Ende der Neunziger 123nyheter gründete. Viele waren überrascht darüber, dass ein Mann, der seinen Platz in der langsamen, tiefgründigen Journalistik gefunden hatte, plötzlich ins totale Gegenteil umschwenkte.
    Für Henning lagen die Gründe auf der Hand. Sture brauchte die Reaktion. Sein Alltag war ihm zu langsam geworden. Er wollte Resultate und das 1-2-3 im Handumdrehen.
    »Ich gehe jetzt«, sagt Henning und nimmt sich vor, noch etwas zu essen, bevor er Yngve Foldvik trifft.
    »Bleibst du nicht bis zur Morgenbesprechung?«
    »Du weißt doch ohnehin, was ich heute auf der Agenda habe.«
    »Ja, aber …«
    »Ich werde versuchen, pünktlich zu dieser Vollversammlung da zu sein.«
    »Das musst du.«
    »Ich werde daran denken, wenn mir jemand eine Waffe an den Kopf hält.«
    Okay, ziemlich melodramatisch, aber durchaus effektiv. Heidi sagt nichts und lässt ihn gehen.
    Eins zu eins, denkt er.

35
    Er geht in den Deli de Luca in der Thorvald Meyers gate und kauft sich eine Calzone mit Hühnchen und Pesto. Dazu noch zwei Zeitungen und einen Becher Kaffee. Anschließend setzt er sich auf der anderen Straßenseite vor der Deichmann’schen Bibliothek auf eine Bank. Der morgendliche Stoßverkehr ist weitestgehend abgeklungen, aber noch immer hasten Autos, Straßenbahnen und zu spät kommende Arbeitnehmer an ihm vorbei. Er nippt an seinem Kaffee und beginnt mit der VG . Auf der Titelseite prangt ein neues tödliches Bakterium, das in Dänemark Angst und Schrecken verbreitet und von dem die norwegischen Gesundheitsbehörden befürchten, es könne noch vor dem Herbst auch Norwegen erreichen. In der rechten oberen Ecke entdeckt er ein kleines Bild von sich, unterschrieben mit »Mordversuch an einem Journalisten«.
    Wut kocht in ihm hoch, zum einen, weil dort tatsächlich ein Foto von ihm abgedruckt ist, und zum anderen, weil Heidi Kjus damit recht bekommt. Er blättert weiter bis zu dem Artikel. Petter Stanghelle hat den Beitrag geschrieben. Henning überfliegt den Text.
    Nur mit Glück konnte Juul dem Täter entkommen. Über die drei Schüsse hinaus, mit denen Tariq Marhoni getötet wurde, hat der Täter noch vier weitere Schüsse abgegeben. Keiner davon traf den Journalisten, sagte der leitende Ermittler, Arild Gjerstad, zur Zeitung VG .
    Vier Schüsse, denkt Henning. Er kann sich nicht daran erinnern, dass es vier waren.
    Es ist VG nicht gelungen, direkt mit Henning Juul in Kontakt zu treten, aber Juuls Chefin, Heidi Kjus, sagte Folgendes zu der dramatischen Situation: »Wir sind natürlich extrem froh, dass Henning nichts zugestoßen ist. Ich mag gar nicht daran denken, was hätte geschehen können.«
    Er muss lächeln.
    Also wirklich, Heidi.
    Stanghelle mutmaßt anschließend, dass es einen Zusammenhang zwischen den Morden an Marhoni und Henriette Hagerup geben könnte, eine Vermutung, die die Polizei bis jetzt allerdings nicht kommentieren will.
    Treffer.
    Auch die Zeitung Dagbladet bringt den Mord an Tariq Marhoni auf der Titelseite, aber nichts über Henning. Sie hat die offensichtliche Hinrichtung im Fokus. Die allem Anschein nach von einem Profi ausgeführt wurde.
    Was nicht dazu passt, ist allerdings die Tatsache, dass Henning lebend davongekommen ist.
    Er will gerade aufstehen, als ein Taxi langsam am Deli de Luca vorbeifährt und dann an einer roten Ampel anhält. Zwei Männer sitzen auf den vorderen Sitzen. Hennings Blick bleibt an ihnen hängen, weil sie ihn ansehen. Und das auch noch, als die Ampel längst auf Grün umgesprungen ist.
    Erst als die Straßenbahn hinter dem Taxi zu hupen beginnt, fährt der Mercedes langsam an. Henning sieht dem Wagen nach, bis er rechts in der Nordre gate hinter der Bibliothek verschwindet. Natürlich kann das ein Zufall gewesen sein, denkt er. Aber auch das direkte Gegenteil. Er trinkt seinen Kaffee aus, wirft den Becher in den bereits übervollen Mülleimer und geht zur Kreuzung, wo er den silbernen

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