Stern der Göttin
Naika ihr die Hand auf den Arm. »Vorsicht! Hier gibt es überall Überwachungsartefakte. Du willst doch nicht, dass unser Kerkermeister erfährt, was wir planen.«
Laisa horchte auf, denn mit diesen Worten gab die Nixe zu erkennen, dass sie ebenfalls bereit war, alles zu tun, um ihrem Gefängnis zu entkommen. Inzwischen hatte sie auch verstanden, was ein Magier war, denn dort, wo sie aufgewachsen war, gab es solche Leute nicht. Ein Magier konnte Kraft seines Willens Dinge tun, die eigentlich völlig unmöglich waren und bei Groms Leuten und den Kaufherren als Wunder oder Teufelswerk gegolten hätten. In dieser Welt schien wirklich alles anders zu sein als in ihrer Heimat, und sie hatte beschlossen, sich von gar nichts mehr verblüffen zu lassen.
Laisa hatte Naika als Verbündete akzeptiert, ohne lange darüber nachzudenken, wie sie mit einer Nixe fliehen sollte, die auf trockenem Boden nur kriechend vorwärtskam. Anders als sie hatte Ysobel hatte völlig panisch auf die Nixe reagiert. In dem Wissen aufgewachsen, dass alle Wesen auf der westlichen Seite des Stromes Wilde und blutrünstige Bestien seien, flößte Naika ihr Angst und Schrecken ein.
Jedes Mal, wenn Ysobel das fischschwänzige Wesen anblickte, musste sie sich mühsam daran erinnern, wie sorgsam, ja geradezu zärtlich die Nixe ihr beim Erwachen geholfen hatte. Doch es war etwas anderes, ein Katzenmädchen wie Laisa zu akzeptieren, das zumindest dem Aussehen nach zur eigenen Seite zählte, als jemand, der ihr in vielen Sagen und Erzählungen als ein Ungeheuer beschrieben worden war, das nur darauf lauerte, hilflose Menschen zu packen, unter Wasser zu zerren und zu ertränken.
Laisa las die Angst und die Zweifel ihrer Freundin in deren unruhig pulsierenden, violetten Ausstrahlung, verstand sie aber nicht. Dort, wo sie herkam, gab es nichts, das Fremde sofort zu Todfeinden machte. Hier aber hassten sich die Menschen wegen der Farben, denen sie sich zugehörig fühlten. Dies ging, wie Naika ihr erklärt hatte, sogar so weit, dass sich Leute mit weißer und schwarzer Grundfarbe nicht berühren konnten, ohne Schmerzen zu empfinden. Genauso war dies mit Grün und Blau, sowie Gelb und Violett. Bei magisch begabten Wesen konnte es sogar heftige Entladungen geben, die sie töten und die Umgebung verwüsten konnten.
Diese magische Grundfarbe war auch das Leuchten, das Laisa an den verschiedenen Leuten wahrnahm. Laut Naika musste sie besondere Sinne besitzen, mit denen sie die magischen Farben empfangen konnte, denn normale Menschen vermochten das nicht.
Es gefiel Laisa, auch in dieser Beziehung hier besser zu sein als diese Glatthäutigen, die sich in Groms Heimat so über ihresgleichen erhaben fühlten, und so betrachtete sie ihre Mitgefangenen noch einmal genauer.
In Ysobel konnte sie eine violette Flamme erkennen, die Nixe war ganz in eine strahlend weiße Aura gehüllt, und wenn sie Rongi ansah, wirkte sein Fell leuchtend blau, obwohl es in Wahrheit ein ähnliches Grau aufwies wie ihr eigenes. Bei Ilonah und Toghann hatte sie jedoch nur einen ganz schwachen Widerschein magischer Farben feststellen können, und an den Flussmäulern haftete das unangenehme Schwarz wohl hauptsächlich wegen der giftig strahlenden Dinge, die die Kerle mit sich herumschleppten. Nun war sie auf den Magier gespannt.
Er sollte grün sein, und das war eine Nachricht, die Rongi in Panik versetzt hatte. Der Katling sah sich schon in einem großen Kochkessel schmoren, und Laisa und Ysobel mussten all ihre Überzeugungskraft aufwenden, um ihn so weit zu beruhigen, dass er nicht mehr am ganzen Leib zitterte.
Zuletzt griff Naika ein und sang ein Lied, das ihn einschlafen ließ. »Armer kleiner Bursche! Es ist einfach zu viel für ihn«, sagte die Nixe mit einem um Verständnis bittenden Lächeln.
Laisa nickte versonnen. »Er ist noch ein Katling und sollte eigentlich mit seinesgleichen toben und spielen, anstatt hier als hilfloses Opfer eines Was-auch-immer gefangen zu sein.«
»Wir kommen schon raus!« Naika zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Das hier ist die sicherste Kammer des Magiers. Deshalb hält er mich auch in diesem Raum gefangen. Er weiß, wie sehr ich mich nach der Freiheit sehne und nach der Weite des Nixensees.«
»Warum hat er uns drei dann zu dir gesteckt?«, fragte Ysobel mit einem Rest von Misstrauen.
»Weil ihr magischer seid als normale Menschen. Dazu ist Laisa eine gefährliche Kämpferin, und Rongi darf man trotz seiner Jugend nicht
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