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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schon von weitem sah Corinna Sander den Victoria-See. Im Dunst des Morgens tauchte er auf, eine riesige, blausilbern schimmernde Scheibe. Schleier von Feuchtigkeit überwehten ihn: die erste aufsaugende Wärme der Morgensonne. Die Urwälder in den Niederungen am See dampften.
    Corinna preßte die Stirn gegen das dicke Sicherheitsglas des ovalen Fensters. Unter ihr glitt das braungrüne, flache, ab und zu leicht gewellte Land der afrikanischen Savanne vorbei; die riesigen Sumpfgebiete im Flußtal des Victoria-Nils mit ihren Papyruswäldern wogten wie überdimensionale Kornfelder im Wind. Herden von Topiantilopen und Gnus flüchteten durch das mannshohe Elefantengras vor dem Donnern und dem Schatten des Riesenvogels, der über die Savanne strich.
    Das Flugzeug der United Arab Airlines zog in geringer Höhe dem Flugplatz Entebbe am Victoria-See entgegen. Es war beim Morgengrauen in Kairo gestartet, war in Khartum, im Sudan, kurz zwischengelandet und brachte nun die wenigen Passagiere in das Innere Afrikas. Die meisten der Fluggäste waren Inder und schweigsame Araber. Ein Chinese, der in Kampala einen Exporthandel betrieb, las die Londoner Times. Die Araber unterhielten sich leise in ihrer kehligen Sprache. Die Inder sahen wie Corinna Sander schweigsam aus den Fenstern auf das herrliche, geliebte und gehaßte Land. Sie waren, auch wenn keiner darüber sprach, die wahren Herren dieses Landes. 3.200 indische Kaufleute lebten in Uganda, durch ihre Hände lief der Handel, ihr Reichtum war sagenhaft, ihr Kapital unterstützte den Staat.
    Die Stimme des Ersten Stewards schallte aus dem Lautsprecher durch das schwach besetzte Flugzeug: »Bitte schnallen Sie sich an. Wir landen in wenigen Minuten.«
    Corinna Sander legte den Gurt um ihre Hüften und lehnte sich zurück. Unten tauchte Entebbe aus den Frühnebeln. Die Halbinsel mit dem Flugplatz, der zum See hin in einen Sumpf überging. Dahinter, unendlich fast, mit dem Himmel am Horizont zusammenstoßend, das ›afrikanische Meer‹, der drittgrößte Binnensee der Welt. Ein Wasserbecken, das den Nil gebar und Klima und Landschaft bestimmte. Das wogende Herz Afrikas.
    Was werde ich dort unten vorfinden? dachte Corinna, während das Flugzeug einen weiten Kreis über Entebbe zog und zur Landung ansetzte. Warum ist seit vier Wochen die Post ausgeblieben? Auch telefonieren kann man nicht mehr. Die Strecke ist gestört, das war alles, was die Hauptvermittlung in Kampala sagte. Dann knackte es, und die Verbindung brach ab.
    Mit gedrosselten Motoren schwebte das Flugzeug ein, setzte auf und rollte langsam zur Abfertigung. Ob in Europa oder Afrika, das Bild auf einem Flugplatz ist immer das gleiche. Die heranfahrende Gangway, die Elektrokarren für das Gepäck, die Tankwagen, die breiteren Wagen für die Güter, an der Absperrung die Reihe der Neugierigen, hinter den Glaswänden die wartenden Beamten von Zoll und Paßkontrolle, vor dem Flughafengebäude die Autotaxen und die Omnibusse, die die Reisenden nach Kampala, in die Hauptstadt, 36 Kilometer nördlich, bringen mußten. Es war die einzige Verbindung, eine Eisenbahn gab es nicht. Vor den Güterschuppen drängten sich die Lastwagen, das Geschrei der Fahrer und Ladearbeiter klang weit über die Betonpisten.
    Corinna hielt sich nicht damit auf, dieses Bild festzuhalten. Sie kannte es von vielen Flügen her, sie war hier in diesem Land geboren, nordwestlich vom Albert-See, auf einer Farm, die der Großvater Sander als junger Mann angelegt hatte. Wie er nach Afrika kam, das war eine lange Geschichte, die oft erzählt worden war. Kurz vor dem 1. Weltkrieg, 1910, war Eberhard Sander aus dem badischen Rippoldsau ausgewandert, ein Bauernsohn, dem die Heimat zu eng wurde. Nun befand sich die Farm bei Kitumba, 10 Quadratkilometer groß, der Savanne abgerungen, in der dritten Generation. Weideland, Kaffeepflanzungen und Bananen. Eine reiche Farm.
    Und jetzt eine schweigende Farm.
    Corinna Sander zeigte ihren Paß vor. Der farbige Zollbeamte nickte und winkte. Corinna war es, als blinzle er dem zweiten Beamten zu, aber es konnte auch eine Täuschung sein, oder das übliche. Wo Corinna mit ihrem hellblonden Haarschopf auftauchte, staunten die Neger sie an. In den Städten Kampala und Fort Portal blieb man sogar stehen und starrte ihr nach. Sie hatte sich daran gewöhnt, warf den Kopf in den Nacken und setzte eine abweisende Miene auf.
    Der erste Weg Corinnas führte zum Postamt des Flughafens. Der farbige Beamte, dem sie die Nummer der Farm

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