Stern der Göttin
lassen.«
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Fünftes Kapitel
Naika
O bwohl es im Innern des Wagens beinahe so dunkel war wie in einer Neumondnacht, hatte Laisa sich ein gewisses Zeitgefühl bewahrt. Es war noch nicht Abend, als das Gefährt anhielt. Kurz darauf wurden die Zugtiere ausgespannt, und dabei hallten das Schlagen der Hufe und die Stimmen der Männer so laut, als befände sich der Wagen in einer großen Höhle.
»Sieht so aus, als wären wir am Ziel«, flüsterte Ysobel, die ebenfalls aufmerksam gelauscht hatte.
Laisa nickte angespannt und berührte Rongis Bein. »Gib acht! Wenn sich uns eine Chance zur Flucht bietet, dürfen wir sie nicht verpassen.«
»Darauf kannst du lange warten, Missgeburt!«, warf Ilonah höhnisch ein.
»Ich bin keine Missgeburt!« Am liebsten hätte Laisa der missgünstigen Frau die Krallen durchs Gesicht gezogen. Obwohl sie Ilonah nichts getan hatte, beleidigte die Wardan sie bei jeder Gelegenheit.
»Mach dir nichts daraus! Die ist doch bloß neidisch, weil du zu einem der auserwählten Völker Ilynas zählst und sie nur eine schlichte Dämmerländerin ist«, versuchte Ysobel Laisa zu beruhigen.
»Sie ist eine Kreatur des Dämons Meandir! Du hast doch selbst gehört, wie die Flussmäuler sagten, ihre Farbe sei weiß.« Wohl zum ersten Mal auf dieser Reise eilte Toghann seiner wardanischen Mitgefangenen zu Hilfe.
Ysobel tippte sich an den Kopf. »Laisa ist ein Katzenmädchen aus Ilynas Land. Selbst wenn sie ein Fehlschlag ist, bleibt sie trotzdem eineGreedh’een.«
Ihre Argumente gingen jedoch an Ilonah vorbei. »Ich dachte, du hasst das Farbgesindel von drüben. Dabei tust du gerade so, als sei die Missgeburt da deine liebste Freundin.«
»Sie ist mir auf jeden Fall lieber als zehn von deiner Sorte«, gab Ysobel bissig zurück.
Dann streckte sie ihre Hand so weit aus, wie die Ketten es erlaubten, und strich mit den Fingerspitzen über Laisas Fell. »Kümmere dich nicht um dieses bornierte Weib! Sie hat Rongi ebenso verächtlich behandelt, obwohl er wirklich ein blauer Kater ist, wie man sie nur in Ilynas Landen findet.«
»Wenn ich kann, werde ich ihr dafür in den Hintern beißen«, warf Rongi mit einem leisen Fauchen ein.
»Man schlägt seine Fänge nicht in ein Stück Dreck!«, wies Laisa ihn zurecht und fragte sich im Stillen, woher diese impertinente Person das Recht nahm, sich so über andere zu erheben. Dabei hatte Ilonah sich trotz ihres Hochmuts in ihr Schicksal ergeben. Rongi und sie selbst aber würden mit Zähnen und Krallen um ihre Freiheit kämpfen.
Vorerst bekam Laisa jedoch keine Chance, ihre angeborenen Waffen einzusetzen. Sie vernahm ein Geräusch am Wagenkasten und sah, wie die Klappe geöffnet wurde. Gleich darauf erschien der Kopf eines Flussmaulmannes. Er hob ein Blasrohr an die Lippen, zielte damit ins Innere des Wagens und blies. Feiner Staub breitete sich aus, und Laisa begriff gerade noch, dass es sich um dasselbe Zeug handelte, mit dem sie bereits einmal betäubt worden war. Dann schwanden ihr die Sinne.
Das Erwachen war ähnlich schlimm wie beim ersten Mal, doch als sie wimmernd nach Wasser verlangte, fühlte sie, wie jemand ihren Kopf hob und ihr etwas Flüssigkeit einflößte. Das Getränk schmeckte angenehmer als alles, was sie je in ihrem Leben gekostet hatte.
»Geht es dir jetzt besser, Kätzchen?«, fragte eine sanfte Stimme.
Laisa öffnete die Augen und sah ein Frauengesicht über sich, so weiß leuchtend, dass sie geblendet den Kopf wegdrehte.
Die andere schien die Geste misszuverstehen. »Keine Angst! Ich will dir doch nur helfen.«
»Was ist mit Rongi und Ysobel?«, fragte Laisa.
»Die schlafen noch. Komm, trink noch ein wenig Wasser, damit du wieder auf die Beine kommst. Wenn die beiden erwachen, bin ich auf deine Hilfe angewiesen.«
Laisa spürte, wie ihr die Frau wieder etwas von jener köstlichen Flüssigkeit einflößte, und sagte sich, dass die Fremde keine Feindin sein konnte. Als sie sie jetzt anblickte, schloss sie ihre Pupillen ein wenig und vermochte nun das Strahlen zu ertragen.
Das Gesicht über ihr war beinahe dreieckig und die Augen zu blass, um hübsch zu wirken. Dennoch empfand Laisa die Frau als so wundersam und lieblich, dass sie unwillkürlich zu schnurren begann.
»So ist es gut, Kätzchen! Versuch dich jetzt aufzurichten. Glaubst du, dass du auch schon eine Kleinigkeit zu dir nehmen kannst?«
»Ich habe Hunger!« Laisa riss den Rachen auf, um zu zeigen, wie groß das Loch in ihrem Bauch war.
Die Fremde kicherte. »Keine
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