Stern der Göttin
folgen, musste er an die Geheimarchive der Schwarzen Festung gelangen.
Obwohl Wassarghan wusste, dass es ihm alle Kraft abfordern würde, den großen, magischen Stern in die Hände zu bekommen, lächelte er zufrieden. Er hatte in den letzten Jahren alles gut bedacht und sich gründlich auf die Suche vorbereitet. Selbst seinen Stab hatte er danach ausgesucht, ob die Magier und Adepten ihm bei der Suche nach diesem mächtigen Artefakt nützlich sein konnten. Nun würde er mit ihnen zusammen einen Weg beschreiten, der ihn hinaufführen würde zu Höhen, die selbst ein Caludis oder Betarran nicht zu erklimmen wagten.
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Zweites Kapitel
Laisa
W eit entfernt von Wassarghans Magierturm auf einer Welt, auf der die Sonne kleiner erschien und nur drei statt sechs Monde am Himmel ihre Bahn zogen, erwachte Laisa mit dem Gefühl, dass sich an diesem Tag etwas ganz Besonderes ereignen würde. In der Luft lag ein ihr unbekannter, wohlig-warmer Duft, der in ihr eine heftige Sehnsucht nach etwas weckte, das sie früher einmal gekannt hatte, an das sie sich aber nicht mehr erinnern konnte. Einige Augenblicke schnupperte sie verzückt, war aber viel zu unruhig, um sich lange mit den neuen Eindrücken zu beschäftigen. Mit einem Ruck erhob sie sich aus ihrem Schlafnest, das sie sich in der Astgabel eines besonders hohen Baumes geflochten hatte, schätzte die Entfernung zum Boden ab und sprang.
Mit ihrem langen Schwanz steuerte sie den Fall so geschickt, dass sie direkt neben ihrem Ausbilder, dem alten Grom , landete. Sein kaum wahrnehmbares Zusammenzucken quittierte sie mit einem übermütigen Lachen. Im ganzen Dorf gab es niemanden, der so klettern und springen konnte wie sie, und darauf war sie stolz.
Grom blickte sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an und spreizte spöttisch die Barthaare, so als wolle er sagen: Spiel dich nicht so auf!
Laisa versuchte, ihr zufriedenes Grinsen zu verbergen. Man sah ihr an, dass sie nicht in Groms Volk geboren worden war. Ihr Gesicht wurde von großen, gelben Augen beherrscht, und ihre stärker vorspringende Mundpartie mit dem kräftigen Gebiss ließ sie tierhafter erscheinen als die anderen Mitglieder des Stammes, die abgesehen von ihrem Fell, den Krallen und den Pinselohren eher den Menschen glichen. Obwohl sie noch eine Jungkatze war, überragte sie selbst den größten der ausgewachsenen Männer um mehr als einen halben Kopf, war aber viel schlanker und – wie alle behaupteten – weitaus wilder als die anderen jungen Katzenmenschen.
Grom schimpfte oft mit ihr, weil sie seiner Meinung nach keine Disziplin besaß und zu harsch reagierte. Doch auch er musste zugeben, dass sie die anderen Katlinge ihres Jahrganges weit übertraf und sogar besser war als die meisten derer, die hoffen durften, in diesem Jahr die erste Anstellung als Karawanenwächter zu erhalten. Zu diesen Privilegierten, die von den Menschen dafür bezahlt wurden, auf den langen Handelszügen deren Augen, Ohren und Beschützer zu sein, würde Laisa jedoch niemals gehören. Kein vernünftiger Handelsherr mochte eine so aggressiv wirkende Person wie sie einstellen, aus Angst, sie könnte ihm bei einer Streitigkeit aus Wut die Kehle zerfetzen.
Grom musterte seine Pflegetochter bedauernd, denn er erinnerte sich noch gut daran, wie er Laisa vor anderthalb Jahrzehnten am Rande des Stammesgebietes gefunden hatte. Sie war so winzig gewesen, dass sie in seine Hände gepasst hatte. Aus Mitleid, aber auch aus einer gewissen Neugier heraus hatte er sie mitgenommen und in die Obhut seiner Schwester Tinka gegeben. Nicht lange danach war aus der Kleinen der übermütigste Katling des Dorfes geworden, ein verwegenes Ding, das selbst den Kampf mit den wilden Waldtieren nicht gescheut hatte, denen sich selbst erfahrene Jäger nicht einzeln und vor allem auch nicht waffenlos näherten.
Kopfschüttelnd beendete der alte Katzenmann seinen Ausflug in die Vergangenheit und blickte Laisa auffordernd an. »Du solltest dich zu deinem Jahrgang gesellen. Oder bildest du dir immer noch ein, ich würde dich einem der Handelsherren als Wächterin empfehlen?«
»Lieber nicht! Mit der würden wir uns nur blamieren«, rief Wuko , der Anführer der Gruppe junger Wächter, entsetzt aus. »Wenn Laisa das Maul aufreißt, erschrecken sich die Menschen zu Tode.«
In seinen Worten schwang eine gehörige Portion Neid mit, denn der Bursche hatte bisher jeden Wettkampf gegen das um zwei Jahre jüngere Mädchen verloren und nutzte nun die Chance, es ihm
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