Sternenfaust - 064 - Relikt Hohlwelt
Agreni aufgeregt. »Graf, sehen Sie nur! Mein Feld! Ich habe auf Blau gesetzt!«
Einer der Diener, die das Rad abgebremst hatten, klappte einen Deckel zur Seite und sah ins Innere des Rads. Er schüttelte den Kopf.
»Kein Blut!«, rief der Spielmeister. Konnte er vor dem zweiten Schuss seine Nervosität noch gut hinter seiner professionellen Haltung verbergen, gelang ihm dies jetzt nicht mehr. Seine Stimme besaß jetzt einen flatternd-krächzenden Unterton.
»Nein, oh nein!«, schrie die Baroness und stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden.
»Das ist wirklich verdammtes Pech, meine Liebe«, sagte der Graf. »Der erste Schuss geht ins Holz, der zweite durchschlägt das Feld, ihr Feld, meine Beste, und ritzt noch nicht einmal einen der Gefangenen!«
»Es sind zu wenig Delinquenten im Rad!«, rief einer der umstehenden Spieler empört.
»Beruhigen Sie sich! Das Spiel hat doch gerade erst angefangen, mein Herr«, ließ sich ein anderer Spieler vernehmen. »Meines Wissens sind sieben Gefangene im Rad des Schicksals. Viel mehr passen da überhaupt nicht rein …«
Inzwischen hatte sich der Spielmeister wieder gefangen. Scheinbar ungerührt von der Debatte schob er die Einsätze zusammen und ließ sie in einen Metallkasten prasseln. Jeder wusste, wenn keiner der Gefangenen getroffen worden war, gehörten die Einsätze der Bank. Traf der Pfeil dagegen einen der Todgeweihten, verdoppelte sich der Einsatz auf dem Feld des Gewinners. War der Schuss tödlich, verdreifachte er sich. Hinzu kam noch eine besondere, eine doppelte Chance: Alle Delinquenten trugen Halstücher in den verschiedenen Farben der Felder. Erwischte es zufällig den Gefangenen, der auch das Halstuch des getroffenen Feldes trug, versechsfachte sich der Einsatz; starb er, gab es den zwölffachen Gewinn.
»Ihre Einsätze bitte!«, rief der Spielmeister.
»Soll ich noch einmal für Sie setzen, Baroness?«, fragte der Graf. »Baroness? – Wo sind Sie?« Erstaunt blickte er um sich, doch die junge Frau des Schriftkammermeisters war auf einmal verschwunden. Stattdessen sah er, dass sich der Baron näherte. Verwirrt starrte Molatt ihn an.
»Setzen Sie doch selbst noch einmal!«, sagte der Baron heftig atmend. »Einmal auf den Kazan. Los, nun machen Sie schon!«
Ein intensiver Alkoholdunst umfing den Grafen. Nicht nur die Baroness hatte einen zuviel über den Durst getrunken, auch ihr Mann. Erst in diesem Moment sah Molatt, dass sich noch kein einziger neuer Einsatz auf dem Spielfeld befand.
»Nur zu! Setzen Sie!«, fauchte der Baron und versprühte gleichzeitig einen feinen Nebel aus Speichel und Nurranto-Schnaps. In diesem Augenblick trat Prinz Brughil neben ihn und zog den Baron vom Grafen fort.
»Kommen Sie, Chogren, wir haben zu arbeiten!«, sagte er mit leiser, aber keinen Widerspruch duldender Stimme.
»Prinz, wo … wo ist … der Kazan?«, stammelte der Graf verwirrt.
»Nach zwei Fehlschüssen begann ihre Majestät das Spiel zu langweilen«, sagte Prinz Brughil verächtlich. »Der Kazan beliebte sich deshalb zurückzuziehen und sich anderen … äh … Aufgaben zu widmen.« Der Prinz schob Baron Chogren vor sich her, während er sich halb zu seinem Siegelhüter umwandte und ihm antwortete. Dabei ließ er einige bedeutende Blicke zum Baron gleiten, die den Grafen augenblicklich verstummen ließen.
»Das Schicksal war diesem Spiel nicht wohlgesonnen«, lallte Chogren mit schwerer Zunge. Die beiden entfernten sich.
Der Graf bemerkte, dass auch ein großer Teil der anderen Spieler längst das Feld geräumt hatte. Er sah, wie sich der Kerkermeister mit einigen Soldaten und Gehilfen dem verwaisten Rad näherten. Sie schleppten bündelweise schwere Ketten, die sie den sieben Gefangenen im Inneren des Rads anlegen würden, die allerdings – so wie es aussah – kaum noch in der Lage sein würden, einen geraden Schritt zu tun, zurück in ihre feuchten, dunklen Zellen.
Er blickte zum Himmel, der sich rasch verfinsterte. Es sah nach einem kräftigen Gewitterregen aus. Hastig verließ auch er den Park und eilte zum Schloss zurück.
»Das ist ja alles sehr dumm gelaufen«, seufzte er. Mit einem Schlag öffneten die dunklen Wolken ihre Schleusen und der Regen prasselte auf ihn herab. Er rannte, bis er das überhängende Dach eines Gebäudes erreichte, unter dessen Schutz er einigermaßen sicher bis zum Haupteingang laufen konnte. Trotz des Regens standen im ersten Stock die breiten Flügel eines Fenster weit offen. Als er gerade unter dem offenen
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