Sternenfaust - 134 - Die Wahrheit über Dana Frost
wie seine Kutte raschelte. »Dana, es tut mir so leid.«
Dana antwortete nicht sofort. »Wissen Sie«, sagte sie dann, »am liebsten würde ich diesen Planeten verlassen und irgendwohin gehen. Ich war so lange im Weltraum, auf Raumhäfen, auf Stationen oder in Raumwerften, dass ich verlernt habe, mich auf einem Planeten heimisch zu fühlen.« Dana hörte sich selbst sprechen, als gehöre die Stimme nicht zu ihr. »Und in dieser Ruhe beginnen meine Gedanken nur noch mehr zu kreisen.«
Dana fühlte, wie sich ein Arm sanft um ihre Schultern legte. »Manchmal gibt es kein größeres Gift für einen erschöpften Geist als einen untätigen Körper.«
Dana Frost nickte.
»Und manchmal muss man einen langen Weg gehen, um zur Ruhe kommen zu können. Es ist das, was einige von uns hin und wieder tun.« Er pausierte kurz und fügte dann hinzu: »Es ist etwas, das ich hin und wieder tue.«
»Ich bin für jeden Vorschlag offen«, erwiderte Dana.
»Ich spreche von dem St.-Garran-Pfad. Ein Tagesmarsch.«
»Eine Bergwanderung?«, fragte Dana.
»Die Sie nicht unterschätzen sollten. Man muss seinen Verstand auf den Weg fokussieren. Wir sprechen von über 21 Tausend Höhenmetern.«
»Klingt wunderbar.«
»Die dünne Luft sorgt für so manchen Schweißausbruch.«
»Klingt noch besser.«
»Auf manchen Strecken brauchen Sie eine Sauerstoffmaske!«
»Das wollte ich hören!«
»Und die Luft ist eisig.«
»Wann kann ich aufbrechen?«
Meister William musste nun endlich schmunzeln. »Ich habe Abt Daniel um Erlaubnis gebeten, Sie zu diesem Pfad führen zu dürfen. Normalerweise ist der Pfad nur den Christophorer-Mönchen vorbehalten.«
»Wie es aussieht, werde ich mein Geheimnis bald mit ins Grab nehmen«, erwiderte Dana lächelnd.
»Und Sie werden einen Peilsender tragen«, betonte Meister William. »Er überträgt die ganze Zeit über Ihre Lebenszeichen.«
»Ich habe den Verdacht, dass die Mönche normalerweise keinen solchen Sender tragen«, erwiderte Dana.
»Das stimmt.«
»Dann will ich auch keinen.«
William lächelte. »Darüber gibt es keine Diskussion. Wenn Sie wollen, dass ich Ihnen den Pfad zeige, müssen Sie den Sender mitnehmen.«
Dana schmunzelte. »Wohin ist der junge und leicht schüchterne Bruder William verschwunden, der einst unter mir auf der STERNENFAUST gedient hat?«
»Er steht vor Ihnen«, antwortete Meister William sofort. »Und er hat seinen Willen stets durchgesetzt, auch wenn Sie das nicht immer gemerkt haben.«
*
Ihre Finger griffen um einen besonders zackigen Felsvorsprung. Zäh zog Dana sich ein Stück höher, heftete den Antigravmagneten an die bereits in den Felsen eingelassene Vorrichtung und schwang ein Bein auf den schmalen Felsbalkon.
Erschöpft kauerte sie sich auf den Boden, lehnte sich gegen den schwarzkristallenen Biotitfelsen und atmete tief durch.
Dann kramte sie ihren Höhenmesser hervor. Sie war auf einer Höhe von 20.736 Metern über dem Saluensee. Meister William hatte ihr empfohlen, spätestens bei 21.000 Höhenmetern die Sauerstoffmaske aufzusetzen. Wieder nahm sie einen tiefen Atemzug und genoss die eisig kalte Luft, die hier oben ein wenig nach Ozon und Eisen schmeckte. Morgen werde ich die Maske verwenden. Dann ließ sie sich für ein paar Minuten das hellgoldene Licht von Sirius A ins Gesicht scheinen.
Dana stand auf und kletterte weiter. Es würde noch ein paar Stunden dauern, bis sie einen der Rastplätze erreicht hatte, mit denen die Christophorer diesen Wanderpfad ausgestattet hatten. Diese Rastplätze waren selten mehr als einfache Felsvorsprünge, auf denen sich ein spezielles Thermozelt aufstellen ließ. Die hauchdünne Folie aus silikonbeschichtetem Stoff hielt den Wind ab, ließ aber dennoch Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle hindurch.
Selbst ohne Peilsender hätte Dana sich vollkommen sicher gefühlt. Sie hatte schon immer Vertrauen in ihre Fähigkeiten gehabt.
Doch bis zum nächsten Rastplatz musste sie noch die nächsten 30 Meter an dieser Steilwand überwinden, danach sollte laut der Karte der Weg wieder etwas einfacher werden und sie würde rund einen Kilometer einen steilen Pfad hinaufwandern können. Die Wand vor ihr war einer der schwierigsten Abschnitte auf diesem Kletterpfad, der in weiten Teilen eher einer Wanderstrecke entsprach.
Noch rund sechs Höhenkilometer hatte sie insgesamt zu überwinden. Dann würde sie den Pass des rund 28 Kilometer hohen Gipfelgrats des Shigatse-Gebirges erreichen. Danach konnte der Abstieg nach
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