Sternenfaust - 153 - Anschlag auf den Konsensdom (1 of 2)
sicher, dass sie Taglieri im Grunde ihres Herzens immer noch vermisste.
Und das, obwohl sie nicht mehr mit ihm sprach, seit er den militärischen Einsatz geführt hatte, der sie aus der Gewalt der Kridan befreit hatte. { * } Savanna hatte es kaltblütig genannt und zeigte ihm seitdem offiziell die kalte Schulter. Inoffiziell jedoch sah es ganz anders aus. Verstand und Gefühl schienen sich in diesem Fall kräftig zu widersprechen.
Was sie nur an diesem unerträglichen Mann fand? Der wohl, das musste sich Harry eingestehen, nur deshalb so unerträglich war, weil er einst mit Savanna zusammen gewesen war. Etwas, das Harry nie gelungen war. Nein, das er nie angestrebt hatte! Schließlich hatte er es nie versucht. Sie war seine platonische Freundin, und das war viel zu wertvoll, um …
Ach, verflixt. Die Sache mit Verstand und Gefühl war tatsächlich so manches Mal alles andere als einfach. Er schob die müßigen Überlegungen beiseite und konzentrierte sich lieber wieder auf den Schlagabtausch mit Taglieri. »Und seit ich Kapitän der MERCHANT bin, ist mir klar, dass ich kaum noch dazu komme, mir über irgendwelche unnötigen Dinge Gedanken zu machen.«
»Touché«, konterte Taglieri süffisant. »Wenn ich auch nicht weiß, ob du mit diesem Begriff etwas anfangen kannst.«
Tusche? War das nicht so ein altertümliches Zeugs von der Erde, mit der man früher gezeichnet hatte? Harry verbesserte seine Einschätzung des ebenso unerwarteten wie unerwünschten Neuankömmlings. Er war doch unerträglich.
Allein seine Macke, ständig mit Worten um sich zu werfen, die man sogar auf der Erde schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzte, die meist aus irgendwelchen eng begrenzten Lokalsprachen stammten … Was sollte das? Früher hatte Vince dies wohl nur selten getan, aber Savanna hatte ihm neulich von einem Interview erzählt, das sie irgendwo gesehen hatte und in dem das ›Ratsmitglied der Solaren Welten Vince Taglieri‹ aus seinem Nähkästchen plauderte.
Nicht dass es Harry interessiert hatte, aber dabei hatte er erfahren, dass Taglieri es offenbar seit Neuestem als Zeichen seiner besonderen Bildung verstand, aus einem Fundus alter – unnötiger – Worte zu schöpfen und seine Gesprächspartner damit zu beeindrucken. Savanna meinte, er interessiere sich für Geschichte. Sie hatte ihm irgendein Gemälde von irgendeinem Südseeforscher geschenkt.
Doch immer, wenn Harry etwas Negatives über Vince sagte, begann Savanna, ihn plötzlich gar nicht mehr so negativ zu sehen.
So auch heute. Sie hatten gemeinsam mit dem Rücken an der Aussichtsscheibe der MERCHANT gelehnt und aktuelle Probleme besprochen – die sich auf die drei Faktoren Geld, Geld und Geld zurückführen ließen – als seine Erste Offizierin Taglieri plötzlich lautstark verteidigt hatte.
Doch, ganz sicher … sie vermisste ihren ehemaligen Geliebten noch immer.
Aber einen Fehler musste wohl selbst sie haben. Und was sollte Harry dagegen tun? Er führte keine Beziehung mit Savanna. Mochte noch so gut mit ihr befreundet sein, ihr romantisches Liebesleben – oder die Erinnerung daran – war das so ziemlich einzige Thema, über das er nicht mit ihr sprechen konnte.
»Aber wie dem auch sei, Harry Chang«, sagte Taglieri nun. »Ich hörte, dass du dein Schiff verloren hast. Die MERCHANT. So etwas kann passieren. Was nicht heißt, dass es mir schon mal passiert wäre.«
»Ich führe inzwischen einen neuen Raumer«, unterbrach er. »Die MERCHANT II.«
»Ich weiß. Mit einer mehr als eigenwilligen Crew, von Savanna mal abgesehen.«
»Zumindest leben bei mir keine minderjährigen Schüler, die sich plötzlich als Kunstwesen der Toten Götter entpuppen.« { * } Das war böse; es musste für Taglieri schwer gewesen sein, diesen Orphanen namens Adric zu vernichten – aber Harry hatte sich die Spitze einfach nicht verkneifen können. Dass er überhaupt von der Begebenheit wusste, verdankte er den News-Kanälen des Mediennetzes und Taglieris Reden, als dieser für den Rat kandidierte.
Immerhin: Wenn Harrys Worte Vince trafen, dann ließ er es sich nicht anmerken.
»Und ich, mein lieber Harry, bin hier, weil die Regierung der Starr mich in den Konsensdom geladen hat. Ich soll an den Gesprächen teilnehmen. Was man von dir wohl nicht behaupten kann. Wo wir gerade dabei sind – Wie hast du den Weg hierher überhaupt gefunden? Sind deine Sternenkarten aktuell genug, um Nambans Position zu verzeichnen?«
Sonda Katar räusperte sich vernehmlich. Sie stand neben
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