Sternenfaust - 163 - Turanors Entscheidung
Gefahr werden konnte, denn eine dauerhafte Abschottung ließ einen Alendei verkümmern, bis hin zum Tod.
Seit fünf Monden waren sie nun ein Paar, und Turanor war immer noch irritiert über diese Tatsache. Denn er hätte es nicht für möglich gehalten, dass er sich noch einmal in seinem Leben derart stark zu einer Frau hingezogen fühlen würde. Nicht, nachdem seine Gefährtin Saraani, die einen Anderen in sich getragen hatte, dem Ruf gefolgt war. { * }
Doch es war geschehen – ohne dass Turanor in irgendeiner Weise darauf vorbereitet gewesen wäre. Er sagte sich, dass dies wohl auch gar nicht möglich war: Auf die Liebe kann niemand vorbereitet sein. Doch so ganz unbegreiflich war ihm sein starkes Gefühl für Kangaara dann doch nicht. Irgendetwas war an ihr, das ihn an Saraani erinnerte. Und dies war nichts Äußerliches. Es war eine Charakterähnlichkeit, die ihm manchmal so frappierend vorkam, dass er die beiden Frauen für Seelenzwillinge halten konnte.
»Turanor?«
»Ja!« Er erschrak, denn ihm wurde bewusst, dass er die Lücke in seinem Mentalschild offen gehalten hatte. Kangaara musste seine Gedanken erspürt haben.
»Ich … ich möchte dir etwas mitteilen.« Selbst ihre Mentalstimme, die in Turanors Geist erklang, hatte eine Wellenform, die ihn von Zeit zu Zeit glauben machte, dass Saraani zu ihm sprach.
»Du kannst mir alles sagen, Kangaara, denn du kannst mir vertrauen.«
»Es ist mir nicht entgangen, dass ich dich an Saraani erinnere. Dies ist kein Zufall, Turanor.«
»Nicht?«
»Nein. Wusstest du, dass Saraani in ihrer Jugend eine Hakaamya upo eingegangen ist?«
»Sie hat nie etwas in dieser Richtung erwähnt.«
»Saraani hatte eine beste Freundin – und beide verstanden sich so gut, dass es für sie außer Frage stand, eine mentale Verbindung einzugehen. Ihre Hakaamya upo währte viele Umläufe, und erst als junge Erwachsene lösten sie ihre Verbindung wieder. Ich war es, Turanor, die mit Saraani in einer Hakaamya upo verbunden war.«
»So war es?«
»So war es, Turanor. Wie du weißt, stammen meine Familie und ich ursprünglich von Helemaii. Unsere Übersiedlung nach Inyaan fand statt, kurz bevor Saraani zum ersten Mal den Großen Schritt tat, wobei du ihr, wie es überliefert ist, zum ersten Mal begegnet bist. Saraani und ich kamen überein, unsere Hakaamya upo zu lösen, da wir räumlich so weit voneinander entfernt sein würden, dass wir uns nicht durch einen kurzen Sprung würden besuchen können.« { * }
»Jetzt wird mir vieles klar, Kangaara. In gewisser Weise warst du Saraani, wie sie Kangaara war. Diese Prägung bleibt bestehen – und ich habe Saraani in dir gespürt …«
»Ja, Geliebter.« Langsam senkte Kangaara ihren Kopf.
Von Ferne war immer noch das Grollen zu vernehmen, das Yonars Waffen verursachten. Turanor spürte in sich hinein. Kangaara hatte den Schleier gelüftet. Ein Stück weit gelüftet, wie Turanor erfühlte, denn da war noch mehr. Da war noch etwas, das sie vor ihm verbarg.
*
Helemaii’nu, vor über 42.000 Jahren
»Na, was siehst du denn so traurig aus, mein Junge? Denk immer daran – du bist der Sohn eines Furisto! Du wirst einmal an meine Stelle treten und über die Stadt und das Land herrschen. So, wie ich es jetzt tue, und es einst mein Vater – dein Großvater – tat.« Publius Nakamaatis, Furisto der Stadt und des Landes Mindaan, nahm den Knaben bei der Hand und führte ihn über die Steinterrasse zur Brüstung. Die Aussicht über die weit unten liegende, ummauerte Stadt und die umgebenden Felder war imposant. Vereinzelt stieg Rauch aus den Schornsteinen der aus Holz und gebranntem Lehm errichteten Häuser.
»Wie soll ich fröhlich sein, Vater, wenn ich immerzu daran denken muss, dass Onkel Flavius Mindaan verheeren wird?«
»Dazu wird es nicht kommen, Aemilius. Sieh die hohe und feste Mauer, die Mindaan-Stadt umgibt – mein Bruder wird nicht so töricht sein, einen Angriff zu wagen.«
»Ich habe Onkel Flavius immer lieb gehabt, Vater. Ich erinnere mich, wie er mit mir spielte, als ich noch ganz klein war. Ich kann nicht verstehen, wie ihr euch entzweien konntet.«
»Denke nicht mehr dran, Aemilius. Das Schicksal nimmt manchmal seltsame Wege.«
Der Knabe seufzte.
»Soll ich dir wieder von den Exinauti erzählen, Aemilius?«, fragte der Furisto in beschwingtem Tonfall und in dem Bemühen, Aemilius auf andere Gedanken zu bringen. Er wusste, wie sehr die alten, religiösen Legenden seinem Sohn gefielen.
Aemilius lächelte
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