Sternenlaeufer
Ihr wisst doch, wie Ihr sie benutzen könntet, Höchste Prinzessin. Warum nutzt lhr sie jetzt nicht, um mich zu finden? Ihr habt bereits einen ausgezeichneten Anfang gemacht, indem Ihr diesen Wein getrunken habt. Ihr fangt an, Macht zu verstehen – die Art von Macht, die Euer Sohn haben wird, wenn er erwachsen ist. O ja, wir wissen alles über ihn, über Euer Lichtläuferkind, durch dessen Adern auch das Blut der Alten fließt. Eines Tages werde ich wissen, ob er es von Euch oder von seinem prinzlichen Vater geerbt hat.
W-wer seid Ihr ? Sioned wagte nicht zu denken. Sie zog sich in sich selbst zurück. Sie wusste, wenn sie dieser Aufforderung Folge leistete und das Sternenlicht verwob, so würde dies Unheil nach sich ziehen.
Wer? Ihr werdet noch einige Jahre warten müssen, ehe Ihr das herausfindet. Oder habt Ihr vielleicht »Was?« gemeint? Das ist etwas, das Ihr sehr wohl wisst, Lichtläuferi n.
Was wollt Ihr?
Ich werde Euch darüber noch ein Weilchen nachdenken lassen. Wir sind noch nicht völlig bereit, wisst Ihr. Masul war ein interessanter Anfang, aber nur ein Täuschungsmanöver. Die wahre Schlacht liegt noch vor Euch, Höchste Prinzessin. Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr bereit seid? Glaubt Ihr tatsächlich, Ihr könntet gegenüber denjenigen bestehen, die Ihr Zauberer nennt?
Das Letzte, was sie hörte, war höhnisches Lachen auf einem Hauch sternenhellen Windes.
Im Licht der Morgensonne, die auf den Boden fiel, nahm Ostvel dankbar einen Weinkelch von Alasen entgegen, die sich unruhig auf einen Stuhl neben ihn setzte. »Kannst du mir jetzt davon erzählen?«
»Alles, was ich weiß.« Er nahm einen tiefen Schluck und schloss die Augen. »Aber das ist nicht viel.«
»Aber es geht doch allen gut?«
»Ja. Sie sind noch immer voller Unruhe, denke ich, aber nicht wegen irgendetwas, das Andry getan hat.« Er sah Alasen an und berührte ihr offenes Haar. Es war von einem ungewöhnlichen Goldbraun, glatt und fein wie Seidenfäden. Ihre Wangen waren bleich vor Sorge, und ihre grünen Augen, die dieselbe Form und Farbe hatten wie Sioneds, blickten bekümmert. Er zwang sich, sie anzulächeln. »Sieh mich nicht so böse an. Alle zusammen haben wir eine Menge Macht, die wir gegen diese Zauberer einsetzen können, weißt du.«
»Riyan gefällt der Gedanke aber nicht sonderlich, von ihrem Blut zu sein.«
»Durch ihn haben wir gestern Nacht trotzdem etwas sehr Nützliches erfahren.« Er erzählte von dem Erlebnis seines Sohnes mit den Ringen. »So können wir immerhin erkennen, wenn sie ihren Zauber wirken.«
Alasen schauderte. »Ich kann ja verstehen, dass sie heute Nacht zugeschaut haben, wo Andrys Ritual stattgefunden hat. Aber warum hier und nicht in der Schule der Göttin?«
»Vielleicht halten sie für entscheidender, was hier geschieht. Ich weiß es nicht. Sioned sagt, es hat keinerlei Kontakt, keine Kommunikation gegeben. Außerdem, können wir sicher sein, dass sie die Schule der Göttin nicht ebenfalls beobachten?« Er nahm noch einen Schluck und stellte den Kelch dann beiseite. »Wir haben den letzten Teil versäumt«, fügte er hinzu. »Ich hätte gern gesehen, wie er eine Beschwörung mit dem Licht der Sterne macht.«
»Mit Kenntnissen aus der Sternenrolle?« Alasen schüttelte den Kopf. »Er wagt sich an gefährliche Dinge, Ostvel. Und es wird noch mehr kommen.« Sie erhob sich und trat ans Fenster. Über der Wüste tief unter Stronghold breitete sich das Licht der Morgendämmerung aus.
Ostvel sah sie lange schweigend an. Es würde schwer sein, eine Frau zu finden, die sich von seiner ersten Gemahlin im Aussehen wie im Charakter stärker unterschied; war Camigwens Persönlichkeit sehr geradlinig und voll von strahlendem Licht gewesen, so bestand Alasens Wesen aus reizvollen Windungen und Wendungen und einem gedämpften Leuchten, das an Schatten denken ließ. Camigwen hatte nie Furcht gekannt, aber Alasen hatte in diesem Sommer das absolute Entsetzen kennengelernt. Was für Cami erregende Gaben waren, bedeutete für Alasen etwas, vor dem sie fliehen musste, so schnell sie es vermochte. Beide waren sie Lichtläuferinnen, eine war ausgebildet worden, und die andere würde niemals eine Ausbildung machen. Dass er beide Frauen liebte, war nicht überraschend. Dass beide ihn liebten, war ein Segen der Göttin. Und er wusste, dass Alasens Liebe zu Andry nichts und alles mit der Tatsache zu tun hatte, dass sie statt seiner ihn erwählt hatte.
Er erhob sich und streckte sich. Dann trat er zu ihr und legte
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