Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
erspart. Andromeda sprang auf Michelle zu, zog ihren Kopf zu sich herab und presste ihre Lippen auf die ihren. Ein Lichtblitz entlud sich, und als Lilly wieder etwas sehen konnte, beobachtete sie, wie ein Wirbel aus Schwärze aus Michelles Körper aufstieg, sich mit seinem weißen Gegenstück, der sich von Andromeda löste, vereinte und verging.
Zugleich brachen die besessenen Menschen ohnmächtig zusammen.
Vorsichtig ging sie zu den beiden reglosen Mädchenkörpern hinüber, legte ihre Hand an Andromedas Halsschlagader, spürte einen schwachen Puls. Da schlug die Sternenseele die Augen auf. »Ich brauche noch einmal deine Hilfe«, krächzte sie.
»Was soll ich tun?«, fragte Lilly ohne Zögern, wandte sich aber zugleich an Raphael, der sich über Michelle beugte, während Anni den toten Torge in ihren Armen wiegte. »Ist sie …« Ihre Stimme brach. »Ist sie tot?«
»Sie lebt, aber ich befürchte, nicht mehr lange«, antwortete Raphael. »Es tut mir leid.«
»Ich kann sie retten«, verlangte Andromeda erneut nach Lillys Aufmerksamkeit. »Ergreife meine Hände und konzentriere dich auf die Menschen um uns herum. Zuerst nur in diesem Raum. Spürst du ihre Seelen?«
Sie schloss die Augen, aber da war nichts. Beinahe hätte sie verneint, doch dann war da ein silbriges Licht irgendwo in der Weite ihrer Gedanken, dem ein anderer folgte, bis sie plötzlich die Gestalt menschlicher Körper annahmen, die nach und nach die Umrisse des Raumes erhellten. »Ja«, flüsterte sie, wagte es nicht, lauter zu sprechen, aus Angst, ihre Konzentration zu stören.
»Weite deine Wahrnehmung aus, bis du alle Menschen um und im Gebäude erfasst.«
Dieser Schritt erwies sich als deutlich einfacher als der erste, und schon bald erfüllte die gesamte nähere Umgebung ihre Gedankenwelt.
»Sehr gut«, murmelte Andromeda. »Ihr müsst an euch glauben, wenn ich nicht mehr unter euch weile. Steht zueinander, nur so habt ihr eine Chance.«
»Aber«, setzte Lilly zu einem Protest an, kam jedoch nicht weiter, denn in diesem Moment durchfuhr sie eine Art elektrischer Schlag, und ein grelles Licht, das von Andromeda ausging, flutete in ihren Geist und umhüllte jeden einzelnen der menschlichen Körper. Dann erlosch es, und auch die Bilder in ihrem Kopf verblassten, bis nur noch Dunkelheit zurückblieb.
Sie öffnete die Augen und blickte direkt in die von Andromeda. »Sie sind geheilt«, wisperte die Sternenseele mit ersterbender Stimme, dann fiel ihr Kopf nach hinten, und ihr Leib erschlaffte. Sie war tot.
»Nein«, schrie eine vertraute Stimme aus dem hinteren Teil des Raumes. Mikael! Er lebte! Wie konnte das sein? Sie spürte ihn nicht mehr als ihren Zwillingsstern. Sie wandte den Kopf und sah ihn auf Fynn gestützt auf sie zugehen. Sein Gesicht war ausgemergelt, von Gram gezeichnet und mit einer schwarzen Flüssigkeit beschmiert, aber er lebte!
Mit einem Aufstöhnen sank er neben Andromeda in die Knie und strich ihr über die blasse Wange. »Sie hätte das nicht tun sollen. Wir hätten einen anderen Weg finden müssen, Lucretia zu besiegen.«
»Dafür war keine Zeit mehr«, widersprach Fynn. »Sie wusste das und hat sich geopfert, um die Energie der Sternenbestie aus Lucretia zu ziehen.«
»Ich wusste nicht, dass so etwas möglich ist«, sagte Mikael. »Welche Geheimnisse mag sie noch mit ins Grab genommen haben?«
»Das werden wir wohl nie erfahren«, meinte Lilly, wobei sie an den Rat und Madame Favelkap dachte. Sie hatte Andromeda mit der Sternenhüterin sprechen sehen – hatte sie ihr womöglich einen Teil ihrer Geheimnisse anvertraut? Dinge, von denen sie dachte, dass die anderen Sternenseelen noch nicht bereit dafür waren? »Doch was ist mit dir geschehen?«
»Sie nahm das, was mich zur Sternenseele machte und durch Lucretia bereits von dem Körper gelöst worden war, um so ausreichend Kraft zu haben, die Sternenbestie aus Michelles Körper zu reißen. Das meinte sie mit meinem größten Opfer.« Er lachte traurig und fassungslos zugleich. »Ich bin wieder ein Mensch.«
65
† D ie Tage nach dem Kampf lagen für Lilly nur noch in einem Nebel. Der Schock um die Verluste, die sie alle erlitten hatten, dämpfte ihre Freude über ihren Sieg, und ihr Wissen darum, Glück gehabt zu haben, dass nur so wenige gestorben waren, verschlimmerte ihre Situation noch. Einzig Raphaels Liebe vermochte es, ihr die Kraft zu geben, sich den Gegebenheiten zu stellen.
Ras hatte sich für fast eine Woche vollkommen zurückgezogen. Andromedas
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