Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
bevor er weitersprechen konnte. Sie vergaß zu oft, wie unglaublich reich die Familien der meisten Schüler hier waren. Ihre Mutter hätte sich das Schulgeld niemals leisten können, wenn mit ihrer Anstellung als Sekretärin nicht auch ein Stipendium für ihre Tochter einhergegangen wäre. »Ich bin noch nie außerhalb Deutschlands gewesen. Meine Mutter arbeitet an der Schule, deshalb bin ich hier gelandet.« Sie ärgerte sich, dass sie so defensiv klang. Als ob mangelnder Reichtum etwas wäre, für das man sich schämen musste.
»Geld allein macht nicht glücklich. Ich würde gerne darauf verzichten, wenn ich dafür ein normales Leben führen könnte.«
Einen Moment herrschte befangene Stille.
»Ich muss gehen. Freunde warten auf mich«, sagte Lilly schließlich. »Vielleicht sehen wir uns ja in dem einen oder anderen Kurs.«
Er lächelte und hielt ihr die Tür auf. »Ich genieße noch einen Augenblick die Ruhe.«
Sie nickte und ging an ihm vorbei. Als sie ihn passierte, umwehte sie ein schwacher Duft nach Zimt und Sandelholz.
»Lilly.«
Sie drehte sich um und sah ihn an.
»Es war nett, dich kennengelernt zu haben.«
»Ebenfalls!« Sie winkte ihm zum Abschied, bevor sie den holzgetäfelten Korridor entlangschritt. Wieso kam er ihr nur so bekannt vor?
4
† L illy«, rief Michelle und kam über den vereisten Hof angeschlittert, als diese sich auf der Suche nach ihrer Freundin durch die aufgeregte Ansammlung Schüler quetschte. Das Mädchen trug einen grünen knielangen Rock mit weißem Webpelzbesatz, eine kurze dunkelrote Jacke und eine dicke Wollmütze, die ihr feuerrotes Haar verbarg. Lachend fiel sie ihr in die Arme. »Hast du schon die Neuigkeiten gehört? Das wird ein supertolles Schuljahr!« In dem gleißenden Licht der Wintersonne leuchteten ihre Augen in einem hellen Grün, das in einem atemberaubenden Kontrast zu ihrer cappuccinofarbenen Haut stand.
»Nein«, antwortete sie und schlang ihre Arme um den Körper. Von dem alten Armeemantel forderten die Jahre ihren Preis, sodass der einst so dicke Stoff inzwischen dünn und an manchen Stellen abgewetzt war. »Lass uns reingehen.«
Michelle hüpfte vor Aufregung neben ihr her. »Ich bin so unglaublich aufgeregt! Das ist unfassbar!«
Lilly wusste, dass ihre Freundin nicht mit dem Reden aufhören würde, bis sie ihr nicht die entscheidende Frage stellte. »Nun erzähl schon, was ist denn so toll?«
Das Mädchen blieb stehen und sah sie mit dramatischer Miene an, während Lilly sich nichts sehnlicher wünschte, als in die Wärme des Internats zu gelangen. »Die Stargazer werden ihren Abschluss bei uns an der Schule machen!«
»Ach.« Die Stargazer waren eine Rockband, für die die meisten Mädchen schwärmten. Sie fand die Musik zwar ganz gut, aber die Jungs waren ihr ziemlich gleichgültig. Vor allem seit sie mit Raphael zusammen war. Dann setzte ihr Herzschlag vor Überraschung einen Moment aus. Deshalb war ihr der Junge so bekannt vorgekommen! Mikael war der Sänger der Gruppe! Ihr Mund klaffte auf, und ihr wurden nachträglich die Knie weich. Sie hatte gerade mit einem Rockstar geredet! »O Mann, der muss mich für total unterbelichtet halten.«
Ihre Freundin blickte sie bei dieser seltsamen Reaktion verwirrt an. »Wer?«
Sie starrte verlegen auf ihre Stiefel herab und trat eine kleine Eisscholle zur Seite. Ihre Freundin würde sie gleich für vollkommen verrückt halten und vermutlich vor Neid platzen. »Ich bin Mikael eben am Hintereingang begegnet. Na ja, genau genommen hat er mich mit der Tür umgenietet.«
»Und das sagst du erst jetzt?« Michelles Stimme erreichte ungeahnte Höhen. »Du musst mir alles erzählen!« Dann runzelte sie misstrauisch die Stirn. »Du bist doch noch mit Raphael zusammen, oder?«
Lilly lachte. »Keine Sorge, du kannst ihn haben. Er muss mich ohnehin für einen Trottel halten, da ich ihn gar nicht erkannt habe.«
»Das ist nicht dein Ernst! Wie kann Mikael, der Gott des Rock ’n’ Roll, vor einem stehen, ohne dass man ihn erkennt?«
»Du weißt, dass ich mich nicht so für diese Band begeistere.«
Michelle schüttelte den Kopf. »Man muss schon im Wald leben, um sein Gesicht nicht jeden Tag in den Medien zu sehen.«
Wenn du wüsstest, wie recht du damit hast, dachte Lilly und zog ihre Freundin weiter, um endlich der Kälte zu entkommen.
Michelle seufzte. »Bin ich froh, keinen festen Freund zu haben, wenn ich mir dich so anschaue. Zeit, dass Amy wiederkommt, sie wird mich verstehen.«
»Wo ist sie
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