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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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weniger wegen ihrer seltsamen Aufmachung. Für meinen Geschmack war sie ein wenig zu füllig, aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.
    Hatte Fed sie gestern kennengelernt, oder war er nicht mehr dazu gekommen?
    »Ich wollte Sie zum Frühstück einladen«, sagte die Frau. »Sind Sie hungrig?«
    »Ein wenig.«
    Der Cualcua in meinem Körper vertrat bestimmt eine andere Ansicht. Vielleicht auch nicht. Schließlich war Nik Rimer weitaus massiver als der Ausbilder Fed. Und wohin war das überflüssige Fleisch eigentlich verschwunden?
    »Wollen Sie zu mir kommen?«
    In ihrem Verhalten lag nicht die Spur von Erotik. Und zwar nicht, weil der Ausbilder Fed bereits zu alt war. Sondern einfach weil das hier nicht üblich war. Nicht notwendig.
    Es lenkte von der Freundschaft ab.
    Loris Zimmer war gemütlicher als »meins«. Auch hier hingen Photos von Kindern an den Wänden, aber viel weniger, noch keine zwei Dutzend. Etliche bunte Flickenteppiche bedeckten den Boden, waren an den Wänden aufgehängt, lagen über dem Bett.
    »Sehr hübsch!«, sagte ich ehrlich.
    Lori blühte auf. »Wirklich, Fed? Ich habe nur geringe Fähigkeiten, aber ich gebe mir Mühe …«
    Nachdem ich mich an den Tisch gesetzt habe, beobachtete ich schweigend, wie die junge Frau das Frühstück vorbereitete. Zwei Tassen wurden aus einer Plastikkanne mit heißem Kaffee gefüllt, winzige Brotscheiben, bestreut mit fein gehackten Kräutern, aufgetragen, Fleischstücke in zwei Porzellanschalen gefüllt.
    Ihr Fleisch war künstlich, so viel hatte ich immerhin herausgefunden. Entweder wurde es in Kübeln angesetzt oder synthetisiert. Um der Nahrung willen töteten die Geometer keine Lebewesen.
    »Wir haben uns große Sorgen um Sie gemacht, Ausbilder Fed«, sagte Lori. »Wir alle verstehen Ihren Kummer.«
    Ich nickte und machte mich über das Essen her. Ich weiß nicht, wie es um den Cualcua stand, aber inzwischen hatte ich wirklich Hunger.
    »Sagen Sie … falls Ihnen das nicht zu nahegeht … ist Ihr Schützling Nik Rimer unheilbar?«
    »Absolut«, antwortete ich, nachdem ich ein Stück Brot und das Fleisch hinuntergeschluckt hatte. »Es gibt keine Hoffnung.«
    »Verzeihen Sie, Fed …«
    »Es macht nichts«, versicherte ich übertrieben munter. »Dergleichen passiert.«
    Vermutlich hatte ich einen Fehler begangen, indem ich mich als Zyniker aufführte. Lori betrachtete mich mit einem Anflug von Angst. Aber jetzt riss es mich mit.
    »Er war immer ein komplizierter Schützling«, fuhr ich wütend fort. »Er hat Gedichte geschrieben, ohne das geringste Talent dafür zu zeigen. Er ist aus dem Fenster geklettert, statt sich auf den neuen glücklichen Tag vorzubereiten. Er hat mit mir gestritten, geheult oder geschwiegen, statt seine Fehler zuzugeben. Ein höchst komplizierter Junge! Und als er sein Gedächtnis verloren hat und mit ihm all das, was ich ihm beigebracht hatte – war der traurige Schluss unvermeidlich!«
    Und?
    Du hast doch kluge Augen! Du fertigst Teppiche an, obwohl das nicht deine Berufung ist. Sag einem alten Ausbilder, dass er sich irrt!
    Oder schweig wenigstens!
    »Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen, Fed.« Sie berührte meine Hand. »Niemand wäre imstande gewesen, mit einer solchen Situation zurechtzukommen.«
    Man dringt nicht zu ihnen durch.
    »Sie übernehmen eine neue Gruppe«, fuhr Lori in zärtlichem Ton fort. »Sie ziehen neue Schützlinge heran, die Rimers Schuld begleichen.«
    »Das werde ich«, versicherte ich, während ich schwer an den letzten Fleischstücken schluckte.
    Ich musste fliehen. Musste weg von hier. Solange die Schneewehe unter den Fenstern noch nicht geschmolzen war, solange die Wendigen Freunde nicht gestanden hatten, dass Nik Rimer lebend entkommen war, indem er übermenschliche Fähigkeiten an den Tag gelegt hatte.
    Wenn nur die geringste Chance dafür bestand, dann musste ich den Weg der Geometer rückwärts gehen. Ich musste zum Kern vordringen, ins Innere der Galaxis, dorthin, wo nicht einmal die Starken Rassen hinkamen. Ich musste den Schatten finden.
    Vielleicht hatte ich Glück, und darin lag wirklich unsere Rettung?
    »Möchten Sie noch Brot?«, erkundigte sich Lori.
    Ihre sanfte Stimme ließ mich leicht zusammenfahren. Du müsstest Köchin sein, Lori. Oder noch besser heiraten, Kinder bekommen und sie selbst erziehen, sie mit Kuchen verwöhnen und mit Milchbrötchen.
    »Nein, danke.«
    Ich stand auf und schaute aus dem Fenster. Es schneite erbarmungslos. Die Schneeflocken wirbelten

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