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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Rimers Ausbilder starb in meinen Armen.
    Ich sah in die brechenden Augen. Fed hatte die Angst umgebracht. Die Angst vor einer mir unbekannten Kraft, vor dem Schatten, der die Geometer in die Flucht geschlagen hatte. Als er starb, hatte er nicht den eigenen Tod durchlitten, sondern war an dem Bewusstsein verzweifelt, dass ein Regressor des Schattens, getarnt in Nik Rimers Körper, weiter auf Der Heimat leben würde. Insofern hatte ich ihn in gewisser Weise doch umgebracht. Genauso sicher, als wenn ich ihm ein Messer ins Herz gestoßen hätte.
    »Ich will euch nichts Böses!«, schrie ich. »Ich will es nicht!«
    Wie ähnlich sich die Blicke von Toten sind! Die Augen des Ausbilders Fed waren ebenso leer und ruhig wie die des perversen Kley, der von einem Wendigen Freund ermordet worden war.
    »Ich wollte das nicht …«, wiederholte ich, während ich den Körper des Ausbilders auf den Boden bettete. »Ich wollte das nicht …«
    Er hat aufgehört zu denken.
    Ich trat ans Fenster. Obwohl es mir schwerfiel, den Blick von dem toten Körper zu reißen, starrte ich jetzt in die kalte Tundra hinaus. Es schneite, der vom Ausbilder Fed georderte Schnee. Meine Spuren verschwanden unter ihm. Wahrscheinlich war Das Mütterchen schon am Horizont aufgegangen. Aber hier herrschte Nacht, denn bleigraue Wolken hatten sich vor den Himmel geschoben – woher auch immer sie aufgetaucht sein mochten. Gehören sie zum Unterricht in schlechtem Wetter, Ausbilder Fed?
    Irgendwann, vor langer, langer Zeit, hatte ich mit meiner Freundin in einem Cafe gesessen. Am Nachbartisch hatte eine betrunkene Frau ihrem Kavalier wieder und wieder vorgehalten: »Blumen kaufst du für deine Frau … Blumen … Blumen, die alles bedecken. Sogar ein Grab.«
    Aber Schnee war noch besser als Blumen.
    Er verdeckte wirklich alles.

Vier
     
    »Schwöre … schwöre, dass du ihn nicht … essen wirst«, verlangte ich.
    Was ist ein Schwur? Und was ist Nahrung? Ich brauche Proben seiner Zellen.
    »Du nimmst wirklich nur Proben«, stellte ich klar.
    Gut.
    Ein dünner weißer Faden schlängelte sich aus meiner Hand. Er beleckte das Gesicht des Ausbilders und glitt zurück.
    Das ist einfach.
    »Dann fang an, Cualcua.«
    Im Bad des Ausbilders nahm der Spiegel die ganze Wand ein. Ich stand neben Feds Körper und betrachtete mein Spiegelbild. Ein junger Mann, nackt, mit kalten grauen Augen.
    Ich kann den Schmerz nicht vollständig fernhalten.
    »Fang an.«
    Es war, als schütte man heißes Wasser über mich. Meine Haut rötete sich, jedes Härchen trat klar hervor. Meinen Körper schüttelten leichte Krämpfe.
    Das hielt ich aus.
    Etwas riss mich nach oben. Machte mich größer. Streckte mich. Dagegen war das mit den Krallen, die der Cualcua schon einmal aus meinen Fingern hatte wachsen lassen, ge radezu läppisch gewesen! Ich fiel auf die Knie, mein Körper erschlaffte und sackte auf die Leiche des Ausbilders.
    Dieser Schmerz …
    Mein Gesicht wurde von innen durchgeknetet. Meine Augen quollen hervor. Die Schultern rundeten sich. Die Beine wurden krumm.
    Dieser Schmerz würde nicht ewig anhalten …
    Ich grub das Gesicht in die schwachen, morschen Knie des Ausbilders Fed. Der verlorene Sohn, der zu seinem guten Vater zurückgekehrt war. Ich habe bereut, Vater. Ich bin einverstanden, bis ans Ende meiner Tage die fetten Viehherden zu hüten. Nur hab Mitleid mit mir, berühre mich mit deiner zärtlichen Hand und schlachte dein gemästetes Kalb etwas schneller. Segne mich mit deiner toten Hand, Ausbilder …
    … Mir schwindelte. Mein Körper war mir fremd geworden. Ein ausgetrockneter, täppischer alter Körper. Ich stand auf und sah mich mit den Augen des Ausbilders Fed an.
    Nun war ich ein vollwertiges, wenn auch gestraucheltes Mitglied der Gesellschaft der Geometer.
    Der Ausbilder Fed.
    Sollte es etwa mein Schicksal sein, ständig die Hülle zu wechseln, von Körper zu Körper zu wandern? Musste ich zum Feind werden, um ihn zu verstehen? Töten – verstehen – nachahmen?
    Wollte ich das wirklich?
    Der Wahnsinn, mit einer alten Proton zu starten, die Süße des Jumps, die erlaubte Exotik fremder Welten und die Freude der Rückkehr – das war meine Welt. Ekelhaft, wahnsinnig, bar jeder Hoffnung, aber meine.
    Wer war ich, über das Schicksal der Welten zu entscheiden? Ich hatte nie auch nur über mein eigenes Schicksal bestimmt!
    Aber so hatte es sich gefügt. So lagen die Karten, die vor Jahrtausenden gemischt worden waren, von den Menschen, den Starken Rassen und den

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