Sternenteufel
Elossa, als hätte er mich bereits in den gleichen Topf mit seinen Feinden geworfen, und das, obwohl ich doch sichtlich genauso gefangen bin wie er.
Sie benetzte die Lippen und überlegte verzweifelt, ob sie das tun sollte, worüber sie den ganzen langen Marsch hierher nachgedacht hatte. Aber daß ein Raski dabei Zeuge sein sollte, wiederstrebte ihrer anerzogenen Einstellung – Yurthangelegenheiten betrafen nur Yurth, sonst niemanden. Aber sie mußte ganz einfach Gehör bei diesen Menschen ihres Blutes finden. Das schien ihr im Augenblick das Wichtigste auf der Welt zu sein.
Noch einmal fuhr sie mit der Zungenspitze über die Lippen. Obwohl sie ausreichend Wasser getrunken hatte, fühlte ihr Mund sich trocken, ja ausgedörrt an, unfähig Worte zu formen.
Aber es mußte getan werden – sie mußte Gewißheit haben. Also sprach sie die Worte, die so alt waren, daß keiner mehr ihre Bedeutung kannte. Aus dämmeriger Vergangenheit stammten sie, und sie mußten von so ungeheurer Wichtigkeit für die Yurth gewesen sein, daß selbst nach so unsagbar langer Zeit noch jeder einzelne sie sich einprägen mußte, auch wenn er ihren Sinn nicht verstand.
»Am Anfang«, begann sie im Singsang in jener Sprache, die jetzt vergessen war, »wurden Himmel und Yurth erschaffen.« (Yurth war das einzige vertraute Wort in diesem Rezitativ). »Der Mensch entwickelte sich …«
Schneller kamen ihre Worte nun, eindringlicher, mit bestimmter Betonung. Und da – ja, einer der Yurth, der Kleidung ähnlich ihrer trug, drehte sich zu ihr um. Verwirrung zeichnete sich auf seinem bisher ausdruckslosen Gesicht ab. Seine Lippen begannen sich zu bewegen, und nun schloß er sich ihr in diesem Rezitativ an, wenn auch weniger fordernd und hin und wieder stockend.
Aber als sie geendet hatte, sah er sie! Er sah sie wirklich! Es war, als hätte sie ihn aus tiefem Schlaf gerüttelt, doch nur ihn allein. Sein Blick wanderte von ihrem Gesicht zu den wieder gebundenen Handgelenken, zu dem Strickende, den ein anderer Wächter sich um einen Arm geschlungen hatte. Tiefste Hoffnungslosigkeit sprach jetzt aus seinen Zügen.
»Den Yurth die Last der Sünde.« Er sprach wie einer, der seine Stimme lange Zeit nicht mehr benutzt hatte. »Wir bezahlen, Yurth, wir bezahlen.«
Elossa beugte sich vor. Keiner der anderen schien zu bemerken, daß sie sich unterhielten.
»Wem bezahlt Yurth?« Sie versuchte, ihre Stimme so gleichmütig zu halten, als führten sie ein völlig harmloses Gespräch.
»Atturn.« Sein Interesse schwand. Er drehte sich um und stand auf.
Sie sandte mit aller Kraft, derer sie fähig war, eine Geistsonde aus. Diese Barriere, die sie gespürt hatte, mußte doch zu brechen und der Geist dahinter zu erreichen sein! Vielleicht spürte er ein wenig davon, denn ganz flüchtig wandte er noch einmal den Kopf in ihre Richtung. Doch dann schritt er in die zunehmende Dunkelheit.
»Yurth bezahlt also«, kommentierte Stans.
»An Atturn«, fauchte sie, verärgert über ihr Versagen, nachdem sie so sehr gehofft hatte, mehr zu erfahren. »Vielleicht an euren Karn«, endete sie, ohne wirklich daran zu glauben. »Aber wenn Atturn der Unterdrücker ist, weshalb läßt er dann auch Raski gefangennehmen?«
»Vielleicht werden wir es bald erfahren.« Stans war nicht weniger gereizt als sie.
Die Yurth legten sich nun, da es dunkel war, zum Schlafen nieder. Jeder der beiden Gefangenen mußte zwischen zwei Wächter liegen, an die sie gefesselt waren. Elossa nahm an, daß die geringste Bewegung ihrerseits zumindest einen, wenn nicht beide der dicht neben ihr Schlafenden wecken würde. Der, mit dem sie gesprochen hatte, befand sich auf der anderen Seite des Feuers. Er hatte sich schon bald dahinter ausgestreckt und die Augen geschlossen, als wollte er auch nur einen Blick auf Elossa vermeiden.
Sie schlief schließlich auch ein. Als ein Yurth Holz von dem Vorratshaufen nachlegte, wachte sie auf. Stans war in der Dunkelheit kaum zu sehen, und so wußte sie nicht, ob er schlief oder nicht.
Eine quälende Unruhe erfüllte sie, die sie von einer Geistsuche abhielt. Sie konnte nur an eine Erklärung für das seltsame Verhalten dieser Yurth und ihren abgeschlossenen Geist denken. Sie unterstanden völlig einem anderen Willen, der sie wie Marionetten lenkte. Die »Last«, die das Schiff ihrem Volk aufgebürdet hatte, war schwer, das gab sie zu, aber nie zuvor hatte sie gesehen, daß sie einen von ihnen in diesen unwürdigen Zustand zwang. Das war nicht normal für einen
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