Sternenteufel
diese Worte ein Schlüssel zur Erhabenheit Karns. »Behandelt ein Lord von Kal-Hath-Tan so seinen Blutsverwandten?« Er blickte auf seine Handfesseln.
»Du gibst dich mit diesem Yurthabschaum ab!«
»Ich bringe dir diese Yurth, damit du nach deinem Willen mit ihr verfährst. Deine Diener nahmen sich keine Zeit zu fragen.«
Also doch! Ihr vages Mißtrauen hatte sie nicht betrogen! Dabei hatte es wirklich so ausgesehen, als brauchten sie einander. Lügen, nichts als Lügen, seit er im Schiff, genau wie sie, das Recht ihrer beider Völker angezweifelt hatte, auf ihrer starren Tradition zu beharren.
Karns Augen wirkten durchdringend. Elossa spürte eine Sondierung – keine saubere, klare Yurthberührung war es, sondern ein verstohlenes Tasten, der Wunsch ihr Inneres zu beschmutzen, ohne die Macht, diese Schändung herbeizuführen.
»Interessant«, sagte Karn. »Und wie erfuhrst du von dem neuen Kal-Hath-Tan, Raski?«
»Es ist jenen vom Hause Philbur auferlegt, den Blutpreis für Kal-Hath-Tan zu holen – einmal in jeder Generation.«
»Es gibt einen Blutpreis von anderer Art, Raski.« Karn deutete flüchtig auf die beiden ausdruckslosen Yurth. »Abschaum, gerade gut genug als Sklaven. Das ist schlimmer als der Tod. Habe ich nicht recht, Yurth?« wandte er sich an Elossa.
Sie antwortete nicht. Immer noch suchte Karn – oder eine andere fremdartige Kraft an diesem Ort – einen Weg durch ihre Geistesbarriere. Es war nur ein schwaches Tasten, doch das bedeutete nicht, daß es nicht plötzlich stärker – und erfolgreich werden konnte.
Karns Lippen, so sehr wie die des Mundes von Atturn, bewegten sich in stummem Gelächter, zumindest sah es so aus. Sein Blick, der auf ihr ruhte, war beleidigender, als jeder Hieb sein könnte.
»Die Yurth brechen – o ja, die Yurth brechen. Ich finde es besonders aufmerksam von dir, Raski, daß dein Geschenk an mich weiblichen Geschlechts ist. Die Aufzucht unserer Sklaven geht nur zögernd voran, wir haben nicht genügend weibliche Yurth. Ja, dein Geschenk ist genau richtig.« Er hob eine Hand. Der Yurth zu Stans Rechten befreite den Raski von seinen Fesseln. »Du sagst, du bist aus dem Hause Philbur. Auch das finde ich interessant. Ich dachte, alle unseres Blutes seien ausgestorben.« Er wandte sich wieder an die Wächter mit dem leeren Gesicht.
»Schafft die Yurth in den Pferch.«
Elossa brauchte den Zug an ihrem Strick nicht, um sich umzudrehen. Das spürbar Böse in diesem Raum war wie übelriechender Sumpf zu ihren Füßen, der sie zu verschlingen drohte. Sie war froh, wenn sie Karn und seinen »Verwandten« nicht mehr sehen mußte.
Sie verließen den Thronsaal – oder wie immer dieser Raum zu nennen war – durch eine andere Tür und kamen durch ein Labyrinth von kurzen engen Gängen. Zwar bemühte sie sich, jede Biegung, jede Richtung im Gedächtnis aufzunehmen, aber sie glaubte nicht, daß sie den Weg zurück tatsächlich wiederfinden würde.
Schließlich schob man sie durch eine Tür in ein Zimmer, wo sich weitere Yurth befanden – Yurthfrauen. Keine einzige hob den Blick zu ihr, als sie vorwärtsstolperte und fast fiel, weil sie sich mit den gefesselten Händen nicht abfangen konnte. Das halbe Dutzend Yurthfrauen stierte blicklos vor sich hin. Zwei von ihnen, stellte sie mit Grauen fest und erinnerte sich an Karns Worte, waren schwanger.
Keine von ihnen trug den hautengen Anzug der Schiffsbesatzung, sondern Pilgerkleidung ähnlich ihrer, doch keine gehörte zu den Vermißten ihres eigenen Clans. Sie hatte natürlich auch keine Ahnung, wie lange diese Yurth schon hier waren.
Da drehte die Frau, die sich ihr am nächsten befand, ihr den Kopf zu. Ihr Blick blieb stumpf an ihr hängen. Hastig wandte Elossa sich beim Anblick der Leere dieses Gesichts ab und wich aus, als die Frau schwerfällig auf sie zukam. Von diesem – diesem Ding berührt zu werden, wäre mehr als sie ertragen könnte.
Aber die Frau löste nur ihre Fesseln, dann schlurfte sie zu dem Haufen schmutziger Kissen zurück, von dem sie sich kurz zuvor erhoben hatte, und kauerte sich dort nieder. Elossa rieb sich die Handgelenke und machte ein paar Schritte rückwärts, bis ihre Schultern die Wand berührten. Mit dem Rücken dagegen setzte sie sich mit überkreuzten Beinen auf den Boden.
Ihr Blick wandte sich unwillkürlich wieder der Frau zu, die sie befreit hatte. Sie war sicher nicht anders als die übrigen geistlosen Gefangenen hier. Und doch hatte irgend etwas sie bewegt, ihr zu Hilfe zu kommen.
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