Sternenteufel
Schlag und sah den Kopf zurückrucken. Aber an dem leeren Ausdruck änderte sich nichts, auch die Augen blieben weiter hochgerollt und blind.
»Nein!« schrillte Stans. »Nicht – zum – Mund!«
Elossa kroch nun ebenfalls auf die beiden zu. Die Verzweiflung in Stans Stimme hatte sie dazu veranlaßt. Er mußte einen Grund haben, Karn von dem Abbild seines »Gottes« fernzuhalten. Sie streckte eine Hand aus, faßte nach Karns Arm und stieß ihre Nägel in den rot-schwarzen Stoff des Ärmels. Aber was sie da hielt, hätte genausogut Metall sein können, so unnachgiebig war sein angespanntes Fleisch.
So gering ihre Hilfe war, genügte sie doch, vereint mit Stans Anstrengungen, Karn aufzuhalten. Plötzlich begann Karn wie ein Wahnsinniger zu toben. Nichts an seinen zuckenden, sich windenden Bewegungen zeugte mehr von Vernunft. Er schwang seinen Kopf herum und hinab und schlug seine Zähne in Elossas Hand. Der plötzliche Schmerz ließ sie unwillkürlich ihren Griff lockern, und Karn konnte sich losreißen.
Mit einer letzten Gewaltanstrengung warf er sich nach vorn und quetschte Stans durch diesen Sprung auf den Boden. Seine Hand krallte sich um die Spitze der aus dem Atturnmund hängenden Zunge. Das Mädchen sah, daß er sich daran hoch und in den Mund ziehen wollte.
Stans hob sich auf die Knie, faltete die Finger beider Hände zur Faust, riß sie hoch und ließ sie wie einen Hammerschlag auf Karns Nacken herabsausen, gerade als der König sich nun mit beiden Händen an der Zunge aufrichtete und dabei war, in den Mund zu steigen.
Karn fiel und schlug mit der Stirn auf die Zunge. Ein Laut war über Stans Keuchen hinweg zu hören, ein Geräusch, das von den Wänden widerhallte und Übelkeit in Elossa aufsteigen ließ. Der Körper, der eben noch vor Anstrengung angespannt war, erschlaffte und glitt auf den Boden, doch eine Hand blieb an der Zungenspitze hängen.
Stans taumelte rückwärts. Grauen sprach aus seinen Augen.
»Wenn – wenn er hindurch – gelangt wäre«, sagte er mit bebender Stimme, »hätte er – für immer – und – alle Zeit – leben können …« Er zitterte nun so sehr, daß er keine Kontrolle mehr über seine Hände hatte. Er streckte sie aus und starrte sie an, als gehörten sie ihm nicht.
Ein anderes Geräusch wurde laut. Elossa vernahm es, obgleich ihr immer noch das des Schlages in den Ohren widerhallte. Sie schaute zu der gräßlichen Atturnfratze hoch und schrie auf. Genügend Kraft kehrte in sie zurück, um nach Stans zu greifen und ihn vom Mund wegzuzerren.
Das Abbild Atturns zerfiel, zerbarst in scharfzackige Steinbrocken, die auf Karns Kopf und Schultern herabpolterten und ihn schließlich fast ganz bedeckten.
Elossa preßte eine Faust an ihre Lippen, um einen Schrei zu unterdrücken, denn hinter der Fratze, hinter dem Mund war –
Nichts! Oder vielmehr eine Finsternis, die jedes normale Licht abwehrte. Sie reichte nicht von Wand zu Wand, sondern sah aus, als bilde sie einen Raum für sich.
Gesicht und Mund waren nun ganz zerfetzt. Da riß auch die Finsternis von Seite zu Seite auf. Vage waren unbestimmbare Formen darin zu sehen, doch sie verschwanden mit der Dunkelheit. Jetzt waren auch schon kahle Wände zu sehen.
Die letzten Schatten lösten sich auf, sickerten in den Stein, auf dem Elossa und Stans kauerten. Und dann blieb nur der halb begrabene Leichnam zurück. Elossa vermochte ihren Blick nicht davon abzuwenden. Die Abwehrkraft der Yurth war ihr entrissen.
Stans kroch näher an sie heran. Jetzt zog er an ihrem Ärmel und stieß heiser aus:
»HINAUS!« Er zerrte sie zu der Tür, durch die man sie gebracht hatte.
Irgendwie löste sein Schrei ihren Bann. Aber sie stand nicht auf, sondern zog sich auf Händen und Knien zurück, und immer, wenn ihre Schwäche sie zu übermannen drohte, riß Stans sie mit.
Dann hatten sie diesen Ort der sinnverwirrenden Gerüche, des Todes und der Illusionen, die sie in ihrer Kraftlosigkeit nicht mehr bekämpfen konnte, hinter sich.
»Frei …«
Nicht mehr als lauter, starker Ruf klang es in ihrem Geist, nur noch als erschöpftes Flüstern.
Stans drehte den Kopf. Er war gegen eine Wand getaumelt, die ihm gerade noch genug Halt bot, daß er nicht auf den Boden sank.
»Frei …« Er hatte es laut gesagt – und die Multistimme wiederholte es in ihrem Geist.
Ja, nun waren sie wirklich frei – doch die Yurth hätten es nicht ohne den Raski geschafft. Stans Handeln im Raum der Illusionen hatte den Sieg herbeigeführt.
»Yurth«,
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