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Sternenzauber

Sternenzauber

Titel: Sternenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Jones
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ziemlicher Schlag, aber kein unüberwindbares Hindernis. Er würde schon noch auf sie aufmerksam werden, man müsste ihm nur die passende Gelegenheit dazu geben …
    Ein zusätzlicher Haken war natürlich auch noch diese große Frau mit dem rabenschwarzen Haar und der wahnsinnig sinnlichen Ausstrahlung, die am Maifeiertag den ganzen Abend
lang nicht von seiner Seite gewichen war. Von Kopf bis Fuß in schwarzem Leder, mit Stiletto-Absätzen, Federwimpern und glänzendem Schmollmund hatte sie ausgesehen wie eine zeitgemäße Ausgabe von Mrs Peel. Clemmie seufzte erneut. Doch wenn man Guys Ruf bedachte, zählte das Update aus »Schirm, Charme und Melone« inzwischen sicher schon zu den verflossenen Liebschaften.
    So, nur noch eine Aktenmappe, und sie hätte schon vier Stockwerke geschafft! Das wäre ein neuer Rekord … Also, ganz ruhig … Jawoll!
    »Clemmie!« Die scheußlich schnarrende Stimme von Bunty Darrington, Chefsekretärin und Ober-Schreckschraube von Dovecote , gellte durch das Wartezimmer. »Clemmie Coddle! Was machen Sie da?!«
    Aus ihrer Träumerei aufgeschreckt, zuckte Clemmie zusammen und sah stöhnend, wie das Kartenhaus in sich zusammenstürzte und die Mappen sich in wildem Durcheinander auf dem Schreibtisch verteilten. »Was? Ach, Entschuldigung …«
    »Entschuldigung?«, brüllte Bunty Darrington. »Was heißt da ›Entschuldigung‹? Soll das bedeuten ›Tut mir leid‹? Oder ›Ich bitte um Verzeihung‹? Oder sollte ein Wort etwa alles sagen?«
    Bei den ersten Anzeichen eines Wortgefechts blickten alle Patienten im Empfangsbereich der Arztpraxis erwartungsvoll auf. Das war doch mal eine willkommene Abwechslung zu dem schneidenden Oktoberwind da draußen, den eigenen Krankheiten, den Plakaten an den Wartezimmerwänden, auf denen Symptome aufgelistet waren, die man vor dem Eintreffen ganz bestimmt noch nicht, nun aber alle miteinander hatte, und dem ohrenbetäubenden Geheul der drei wie Prinzesschen gekleideten kleinen Mädchen, die alle zugleich versuchten, sich in das Spielhäuschen in der Ecke zu quetschen.
    »Nun?« Bunty bebte in ihrem Tweedkostüm. »Ich warte.«

    »Dann sind Sie in bester Gesellschaft und genau am richtigen Ort«, erwiderte Clemmie vergnügt, »denn das ist hier ja ein Wartezimmer. Nein, Entschuldigung – äh – ich meine – sollte ein Scherz sein, Bunty. War nur ein Scherz.«
    Bunty Darringtons rötliche Augenbrauen hoben sich hinter ihren angegrauten rötlichen Stirnfransen. Bunty pflegte nicht zu scherzen. »Tatsächlich? Ein Scherz? Ich höre niemanden lachen, Sie etwa? Ich darf Sie daran erinnern, dass dies für Übermut weder der passende Zeitpunkt noch der passende Ort ist. Außerdem habe ich Ihnen eine Frage gestellt.«
    Die Wartenden beugten sich vor.
    »Genau genommen haben Sie mir mehrere Fragen gestellt. Ich erinnere mich aber nur noch an zwei: Was ich tue, und was ich mit ›Entschuldigung‹ gemeint habe.« Clemmie blätterte in den umgefallenen Aktenmappen. »Entschuldigung sollte heißen, ich bitte um Verzeihung – auch wenn mir nicht ganz klar ist, wofür. Und außerdem mache ich gerade die Ablage.«
    Bunty Darringtons Lippen zogen sich mühsam über ihre langen Zähne. »Ablage? Erzählen Sie mir doch nichts von Ablage, Mädchen! Sie haben gespielt – mit diesen Akten gespielt! Mit vertraulichen Akten! Mit streng vertraulichen Patientenakten! Außerdem waren Sie in Gedanken mal wieder ganz woanders. In Tagträume versunken, geben Sie es doch zu!«
    Im Wartezimmer hielt man gespannt die Luft an. Halsschmerzen, knarzende Knie und Durchfall waren vergessen. Sogar die Minidiven hatten aufgehört, gegenseitig an ihren rosa Zuckerwattekrönchen zu zerren, und gafften.
    Clemmie sah auf das zusammengestürzte Kartenhaus hinab und seufzte. Die verflixte Bunty hatte sie auf frischer Tat ertappt. Auf Tagträumerei stand in der Dovecote -Gemeinschaftspraxis wahrscheinlich der Tod durch den Strang. Sie setzte ein Lächeln auf. »Gut erkannt. Ihnen entgeht aber auch gar nichts,
Bunty. Nochmals Entschuldigung. Ach, und das heißt Entschuldigung im Sinne von Verzeihung, nur um erst gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen.«
    »Und das ist eine Unverschämtheit ersten Ranges!« Bunty stampfte in ihren Gesundheitsschuhen zum Tresen. »Noch dazu zum wiederholten Mal! Bedaure, Clemmie, aber das werde ich melden müssen.«
    Blinkende Lichter der Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch retteten Clemmie vor weiteren Schimpfkanonaden. Sie drückte auf Knöpfe, lauschte,

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