Sternenzitadelle
seinen Brustkorb und machte ihm das Atmen schwer. Seine Haut schien förmlich zu schrumpfen wie ein von Flammen verzehrtes Blatt. In dieser von Kohlendioxyd gesättigten Luft gab es nur wenig Sauerstoff; er konnte langsam keinen klaren Gedanken mehr fassen. Doch ihm wurde bewusst, dass er auf diesem Planeten damals, kurz nach dem Verlassen von Terra Mater, wohl nur wenige Sekunden überlebt hätte. Inzwischen jedoch hatte das Antra während seiner vielen Aufenthalte auf anderen Planeten seinen Stoffwechsel den verschiedensten Lebensbedingungen angepasst. Ein geringeres Sauerstoffangebot auf einigen Planeten hatte zu einer Vergrößerung seiner Lungen geführt, wodurch er schließlich überleben konnte.
In der Ferne sah er auf dem Schiffsfriedhof flüchtig Licht aufflackern. Sollte es Leben in dieser Ödnis geben?, fragte er sich, raffte sich mit letzter Kraft auf und ging langsam auf die Lichtquelle zu. Trotz der Kälte schwitzte er unter seiner Leinenhose und der Tunika. Es roch stark nach rostendem Metall.
Eine genaue Erklärung für den Absturz Hunderter Weltraumschiffe an diesem Ort fand Tixu nicht. Sie alle schienen wohl von ihrem Kurs durch ein sehr starkes Magnetfeld abgekommen zu sein. An vielen Rümpfen konnte er noch Wappen und Inschriften in Interplanetarischem Nafle erkennen, wie die einiger Planeten der ehemaligen Konföderation von Naflin: Marquisat, Issigor, Sbarao, Oursse, Neorop, Syracusa …
Wehmut überkam ihn, als er unter der Kommandobrücke eines kleinen, auf der Seite liegenden Raumschiffs das
Emblem seines Heimatplaneten Orange – ein safranfarbiger Kreis mit neun, die Kontinente repräsentierenden weißen Querstrichen – entdeckte.
Erschöpft blieb Tixu einen Moment stehen, um wieder Atem zu schöpfen. Mit seinem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn und versuchte erneut, die Lichtquelle zu lokalisieren.
Es gelang ihm mühelos: Sie war nur ein paar Meter von ihm entfernt und entpuppte sich als eine von einer Gestalt gehaltene Taschenlampe. Zuerst glaubte er, vor einem ihm unbekannten Wesen oder einem Tier zu stehen, doch dann erkannte er, dass es ein Mensch – oder eine menschenähnliche Kreatur – war, dessen Kopf im Verhältnis zu dem überdimensionierten Brustkorb viel zu klein schien. Die Hüften waren schmal, und die Arme reichten fast bis zum Boden, wie bei einem Affen. Auch trug er keine Kleidung, stattdessen bedeckte ein dichtes Fell seinen ganzen Körper. Nur sein Gesicht, mit überraschend feinen Gesichtszügen, und die Hände und Füße waren unbehaart.
Der Mann ging ein paar Schritte auf Tixu zu und sah ihn aus hellen Augen eindringlich an.
Als er den Mund öffnete und sprach, entblößte er dabei unregelmäßige, gelbe Zähne. »Seit mehr als dreißig Standardjahren habe ich keinen Vertreter der menschlichen Rasse mehr getroffen«, sagte er zögernd. »Seit dieser Idiot Nahum Arratan beschlossen hat, mich zu verlassen …«
Er sprach perfektes Nafle, mit einem leicht singenden Akzent.
Die beiden musterten sich eine Weile schweigend, so als müsste sich jeder erst an die Gegenwart des anderen gewöhnen. Die gestrandeten Raumschiffe, der phosphoreszierende poröse Boden und der pechschwarze Himmel
bildeten ein derart fantastisches Dekor, dass sich Tixu beinahe wie in einem Traum fühlte.
»Hat Sie das Institut zu meiner Rettung geschickt?«, fragte der Mann. »Haben Sie Ihren Deremat mitgebracht? Mein Schiff ist leider nicht funkionsfähig.«
»Ich bin nur ein Reisender«, antwortete der Oranger. »Ich weiß nicht, von welchem Institut Sie sprechen.«
»Sie haben mich wirklich vergessen«, sagte der Mann traurig, »obwohl sie Nahum Arratan und mir absolute Unterstützung vor unserer Abreise aus Neorop zugesichert hatten. Nichts als leere Versprechungen. Sie werden mich auf Arratan sterben lassen, fern von …« Abrupt schwieg er, um dann hinzuzufügen: »Wo sind Ihre Sauerstoffflaschen?«
»Ich habe keine«, entgegnete Tixu schulterzuckend.
»Das kann nicht wahr sein! Ich habe fünfzig Standardjahre gebraucht, um mich anzupassen. So lange dauerte die Mutation. Nahum und ich hatten für unseren geplanten Aufenthalt im Zentrum der Galaxie einen Sauerstoffvorrat für fünf Jahre dabei. Als wir erkannten, dass wir unser Raumschiff nicht reparieren konnten, haben wir unseren Verbrauch reduziert und einen Generator gebaut. Als die Flaschen leer waren, mussten wir uns mit der daraus erzeugten Luft begnügen. Doch Nahum konnte sich nicht anpassen, er
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