Stets Zu Diensten, Mylady
Mr Shafto, dieses Gespräch mit Ihnen unter vier Augen zu führen.”
Will zog die Brauen hoch, und sein Diener war nicht minder erstaunt. Mrs Grey stand da mit gefalteten Händen und missbilligender Miene, ganz die Anstandsdame mittleren Alters, der nicht erlaubt wird, ihre Aufgabe zu erfüllen.
“Entspricht das Mrs Greys Wünschen?”, fragte Will. Er wurde immer neugieriger auf das, was seine Besucherin ihm mitzuteilen gedachte.
“Nein, natürlich nicht”, antwortete Miss Rowallan seelenruhig. “Da ich sie jedoch bezahle, folgt sie meinen Wünschen, nicht ich den ihren.”
Wie kann sie in Gegenwart ihrer Angestellten so etwas sagen, auch wenn es wahr ist, fragte sich Will im Stillen.
Laut meinte er: “Dann haben Sie keine Sorge um Ihren guten Ruf, Madam? Mit mir allein zu sein, meine ich.” Er klang ein wenig schneidend, aber das kümmerte seine Besucherin offenbar nicht im Geringsten, höchstens, dass ihre Stimme einen ähnlichen Ton annahm.
“Wer sollte denn Gerede in die Welt setzen, Mr Shafto? Mrs Grey gewiss nicht, und Ihr Bediensteter hier ist die Verschwiegenheit in Person, wenn es um Sie geht. Sollten Sie aber selbst verbreiten, einige Zeit mit mir allein verbracht zu haben, wer würde Ihnen wohl glauben – und nicht mir?”
Ja, wer wohl? Dieses eiskalte Frauenzimmer hatte recht, das musste Will sich eingestehen. Er schluckte einmal heftig und lenkte dann ein: “Nun gut, wenn das Ihr Wunsch ist.”
“Das ist mein Wunsch. Sobald meine persönlichen Angelegenheiten mit Mr Shafto besprochen sind, lasse ich Sie rufen, Amelia. Es wird nicht lange dauern.”
Mit dem Versprechen, ihr in der Küche den besten Tee seines Herrn zu servieren, führte Bert die nach wie vor missbilligend dreinblickende Mrs Grey aus dem Salon.
“Ich kann es kaum erwarten, von Ihnen zu erfahren, welche persönliche Angelegenheit Sie mit mir zu besprechen haben”, sagte Will leichthin. Er hatte sich mit dem Rücken zum Fenster gestellt, sodass sein Mienenspiel im Schatten blieb.
Zum ersten Mal sah er Miss Rowallan lächeln, und erstaunt beobachtete er, wie ihr gesamter Ausdruck weicher und wärmer wurde. Er meinte sogar, jetzt eine gewisse Ähnlichkeit zwischen seiner Besucherin und der lieblichen Sarah Allenby, ihrer Cousine, entdecken zu können. Doch diese Verwandlung dauerte nur wenige Augenblicke, dann war das Lächeln und mit ihm die Ähnlichkeit wieder verschwunden.
“Die privateste Angelegenheit der Welt”, antwortete sie. “Ich bin gekommen, Sie zu fragen, ob Sie mich heiraten wollen.”
Will war kurzzeitig wie vom Donner gerührt. Dann lachte er ungläubig und heiser.
“Ich Sie heiraten? Es muss Ihnen doch bekannt sein, was gestern Nachmittag im Hause Allenby vorgefallen ist.”
“Das weiß ich, Mr Shafto. Deshalb zog ich es vor, während der unerfreulichen Unterredung nicht anwesend zu sein. Außerdem lag mir nichts an der undankbaren Rolle einer Trösterin meiner Cousine, die übrigens kaum des Trostes bedurfte. Ich habe sie verzweifelter gesehen über den Verlust einer Lieblingspuppe. Sie vergoss ein paar Anstandstränen, als man ihr mitteilte, die Verlobung mit Ihnen sei gelöst, doch das Versprechen unseres Onkels, ihr stattdessen einen Marquess als Ehemann zu verschaffen, heiterte sie umgehend wieder auf. Als ich sie verließ, übte sie sich bereits im Auftreten als Marchioness.”
“Nun, Madam, Sie gewinnen keinen Adelstitel, wenn Sie mich heiraten.”
“Richtig, Mr Shafto. Doch statt eines solchen scheinen Sie Verstand zu besitzen, und genau der fehlt den meisten Herren meiner Umgebung.”
“Wie wollen Sie das beurteilen, da Sie mir noch nie zuvor begegnet sind?”, fragte Will verwundert.
“Oh, ich weiß manches über Sie”, erklärte sie leichthin. “Genug, um zu erkennen, dass sich hinter Ihrem charmanten Auftreten ein kluger, gesunder Menschenverstand verbirgt.”
“Und Ihr eigener gesunder Menschenverstand bringt Sie dazu, einem nahezu fremden Mann einen Heiratsantrag zu machen?”
“Zumindest verbietet er es mir nicht”, antwortete Miss Rowallan selbstbewusst. “Allerdings nur, falls in einem Ehevertrag alle Bedingungen genau festgelegt werden.”
“Ich verstehe”, meinte Will, was durchaus nicht der Wahrheit entsprach. Langsam beschlich ihn das Gefühl, dass etwas Herabwürdigendes an einem Heiratsantrag war, wenn er von einer Dame ausgesprochen wurde. Für wen hielt sie ihn überhaupt? Welche Frage! Sie wusste nur zu gut, dass er ein Mitgiftjäger war. Bereits in
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