Stets Zu Diensten, Mylady
jetzt – und mich danach weigern, Sie zu heiraten. Wir sind allein. Sind Sie nicht ein wenig zu vertrauensselig? Ich bin schließlich nichts Besseres als ein gemeiner Schurke, oder? Das wurde jedenfalls gestern Nachmittag festgestellt.”
Auch diese Rede konnte Miss Rowallan nicht erschrecken. So kühl und ruhig wie bisher antwortete sie: “Ich glaube schon, Ihnen trauen zu dürfen. Sie mögen ein Schurke sein, doch dann, so glaube ich, sind Sie ein ehrlicher Schurke, und wenn wir heiraten, werden Sie
mein
Schurke.”
Ihr Schurke, schau an, dachte Will grimmig. Damit war sein Entschluss gefasst.
“Nein, das werde ich gewiss nicht sein, Madam. Ich lehne Ihr Angebot ab. Ich muss einen letzten Rest an Würde behalten, und Sie unter diesen Bedingungen zu heiraten, käme dem völligen Verlust meiner Selbstachtung gleich.”
“Zum einen sehe ich nicht, wo der Unterschied zwischen einer Heirat mit Sarah und einer Hochzeit mit mir liegen soll, und zum anderen verlange ich von Ihnen nicht einmal Enthaltsamkeit – ich erwarte lediglich Diskretion.”
Will sah sie fassungslos an. “Wie können Sie so etwas äußern? Dazu noch als unverheiratete Dame?”
Miss Rowallan schüttelte belustigt den Kopf. “Sie scheinen wenig über Frauen zu wissen, Mr Shafto. Darin unterscheiden Sie sich offenbar nicht von anderen Männern.”
Sie erhob sich. “Würden Sie so freundlich sein und Mrs Grey holen lassen? Was immer Sie jetzt sagen, ich gebe Ihnen drei Tage Zeit, mein Angebot zu überdenken.”
“Ich werde meine Meinung kaum ändern. Sie müssen schon nach einem anderen Tölpel Ausschau halten, Miss Rowallan.”
Darauf erwiderte sie lediglich: “Wir werden sehen. Und nun, Mr Shafto, halte ich es für angebracht, dass Sie auch mir eine Tasse Ihres besten Tees anbieten.”
Unglaublich, dachte Will. Diese Frau ist aus Eis, nein, aus Stahl. Im Augenblick blieb ihm nichts weiter übrig, als nach Bert und Mrs Grey zu läuten. Jetzt war ihm verständlich, warum Miss Rowallan das Gespräch keinesfalls in Anwesenheit ihrer Anstandsdame hatte führen wollen!
Drei Tage. Drei Tage, um mich zu entscheiden, ging es ihm den ganzen Nachmittag immer wieder durch den Kopf. Kann ich wirklich eine Frau heiraten, die mich vom ersten Augenblick an überhaupt nicht angezogen hat, trotz ihrer unbezweifelbaren Schönheit? Ist das nicht sowieso die Schönheit einer Gorgo, bei deren Anblick Männer zu Stein erstarren?
Je öfter Will sich die Unterredung mit Miss Rowallan vor Augen führte, umso mehr schreckte er zurück. Nein, ich werde auf ihr Angebot nicht eingehen, sagte er sich wieder und wieder, sie muss sich einen anderen suchen, der für sie den Pantoffelhelden abgibt.
Er war nicht gerade in bester Stimmung, als Josiah Wilmot später in Duke Street Nummer zehn auftauchte, und empfing seinen alten Freund entsprechend ungnädig.
“Ich hatte dich eigentlich eher erwartet, Josh. Viel eher.”
Der Anwalt seufzte tief und zog ein sorgenvolles Gesicht.
“Wozu, Will? Die ganze Sache war bereits verloren, bevor du deinen Fuß ins Allenby-Palais setztest. Der gesamte Clan empfing mich mit Unheil verkündenden Gesichtern. Man ließ mich nicht einmal den Aktendeckel aufschlagen, sondern erklärte, es sei alles über dich bekannt, und über mich ebenso. Sie gaben zu, dass sie Runners auf uns angesetzt hatten, und nur, weil sie einfach nichts finden konnten, was an unserem Verhalten kriminell gewesen wäre, ließen sie uns nicht verhaften. Natürlich wollten sie auch keinen Skandal.”
“Du hättest mich zumindest warnen können”, warf Will vorwurfsvoll ein.
“Wie denn? Sie hielten mich im Haus fest, bis du wieder fort warst. Gib es ruhig zu, Will, wir wollten eine kleine Schwindelei aufziehen, und das ist danebengegangen. Keinen wirklichen Betrug, denn immerhin gehört dir Shafto Hall, du stammst aus einer guten und alten Familie, und es ist kein Verbrechen, arm zu sein, ebenso wenig ist es verboten, eine reiche Erbin heiraten zu wollen. Das hat vor dir schon manch einer getan. Es war einfach Pech, dass sie deine wahren finanziellen Verhältnisse vor der Hochzeit herausfanden, nicht erst hinterher.”
“Vor allem mein Pech”, meinte Will bitter.
“Richtig. Und es kommt noch schlimmer, fürchte ich. Deine unbezahlten Rechnungen und Schuldscheine sind von Jem Straw aufgekauft worden, und der will dich noch vor Ende der Woche ins Marshalsea bringen. Sieh zu, dass du von London fortkommst.”
“Und wohin?”, fragte Will tonlos.
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