Stille Kuesse sind tief

Leben wieder im Griff. Es war nicht so, dass seine Ex noch Macht über ihn ausübte. Er benutzte sie nicht als Maßstab für die anderen Frauen in seinem …
    Entsetzt umklammerte er seinen Bierbecher, als ihm die unangenehme Wahrheit durch den Kopf schoss. Er war nicht viel besser als Kent. Genau genommen war Rachel die Messlatte, an der er auch Annabelle maß. Alles, was Annabelle tat, wurde mit dem verglichen, was seine Ex in solch einem Fall getan hätte. Die beiden Frauen hatten sich nie getroffen, hatten so gut wie nichts gemeinsam, aber in Shanes Kopf waren sie genau gleich. Nicht gerade fair – niemandem gegenüber.
    „Hallo, aufgepasst, alle miteinander“, rief Josh und stand auf.
    Die Männer verstummten.
    „Das ist das erste Mal, dass wir alle zusammen sind – ohne die Frauen“, meinte er grinsend. „Nicht, dass wir unsere Goldstücke nicht lieben würden.“
    „Charity hat was weit Besseres als dich verdient“, rief Ethan.
    Josh lachte. „Ja, das hat sie, aber sie liebt nun mal mich. Was mich zum glücklichsten Mann auf Erden macht.“ Er hob seinen Plastikbierbecher. „Alle Männer, die letzte Nacht glücklich gemacht wurden, hebt eure Gläser.“
    Shane und Kent stöhnten, als alle verheirateten Männer sowie Rafe ihren Bierbecher hoben.
    „Und das, meine Herren“, sagte Josh zu Shane und Kent, „ist der Grund, warum es durchaus Vorteile hat, verheiratet zu sein.“
    Es wurde angestoßen und kräftig getrunken. Shane klopfte Cameron auf die Schulter. „Na, das ist doch mal eine nette Abwechslung zum Verarzten von Ziegen und dem Kastrieren von Katzen, oder?“
    Cameron grinste. „Es ist tatsächlich nett, mal rauszukommen, aber wenn das Spiel vorbei ist, dann freue ich mich auch, wieder zu meinen Mädels zurückzukönnen.“
    „Wie alt ist deine Tochter?“
    „Fast neun.“
    „Dann brauchst du dir ja noch keine Sorgen darum zu machen, wann und mit wem sie ausgeht.“
    „Das hoffe ich“, meinte Cameron und erschauderte kurz.
    „Fool ʼ s Gold ist doch ein toller Ort, um Kinder großzuziehen. Ich bin hier auch aufgewachsen“, erzählte Shane.
    „Rina und ich freuen uns schon darauf, zusammen Kinder zu bekommen, und Kaitlyn ist schon ganz aufgeregt, wenn sie sich vorstellt, bald die große Schwester zu werden.“ Cameron holte einmal tief Luft. „Als meine Frau mich verlassen hat, war Kaitlyn gerade geboren. Ich hatte panische Angst. Was wusste ich schon über Babys? Aber ich hab ʼ s überlebt, und Kaitlyn und ich waren eine Familie. Dann tauchte Rina auf und hat alles vollkommen gemacht. Manchmal ist das Leben schon lustig. Kleine Wunder geschehen immer dann, wenn wir sie am wenigsten erwarten.“
    Die Spieler stellten sich an den Grundlinien auf, und der Sprecher bat die Zuschauer, für die Nationalhymne aufzustehen. Genau wie seine Freunde erhob sich Shane, und alle zusammen sangen die Hymne mit.
    Nachdem die letzten Töne verklungen waren, wurde geklatscht und gejubelt. Die Spieler nahmen ihre Positionen ein, und das Spiel begann.
    Der Werfer der Mountaineers war als Erster an der Reihe. Schon der erste Schlag für die Heimmannschaft landete über dem Zaun und endete somit in einem Homerun. Zusammen mit allen anderen bejubelte Shane den Schlag und feierte die Fertigkeiten der Mannschaft. Josh und Raoul stritten spielerisch darüber, wer vonihnen beiden der Berühmteste war. Ethan gab Shane gute Ratschläge zu seinem Hausbau. Simon und Cameron unterhielten sich mit Finn über die Hundezucht. Tucker und Kent tauschten sich über mathematische Wahrscheinlichkeiten aus, um im Spielkasino gegen die Bank zu gewinnen.
    Shane genoss den Nachmittag, das Spiel und die Gesellschaft, ertappte sich aber immer wieder dabei, dass er an Kent und Cameron denken musste. Beide Männer hatten gescheiterte Ehen hinter sich. Kent verharrte in einer Art Starre – er war noch immer verletzt und wartete darauf, dass Lorraine zu ihm zurückkehrte. Zwar hatte er einen Sohn und seine Arbeit, aber war er glücklich? War er zufrieden, oder trieb ihn die Sehnsucht nach etwas um, das er nie wieder haben würde?
    Cameron dagegen hatte eine andere Richtung eingeschlagen. Auch er hatte sich als alleinerziehender Vater durchschlagen müssen. Aber statt sich einzuigeln, hatte er Rina sein Herz geöffnet und war jetzt glücklich verheiratet. Er hatte die Vergangenheit hinter sich gelassen – etwas, das man tun musste, um den nächsten Schritt wagen zu können.
    Shane wusste, er konnte sich für beide Richtungen