Stille Kuesse sind tief
setzte sich.
Sie erwiderte sein Lächeln und bemühte sich, vor lauter Erleichterung nicht laut aufzuseufzen. „Dass er hier aufgetaucht ist, war ein ziemlicher Schock. Ich hab es gern, wenn die Dinge nach Plan laufen. Scheidungspapiere unterschreiben, geschieden sein. Überraschungen werden deutlich überbewertet. Ich habe mit der Anwältin gesprochen“, fuhr sie fort. „Die Unterlagen sind jetzt im Gericht, und es dürfte nur noch ein paar Tage dauern, bis die Scheidung wirklich rechtskräftig ist.“
„Da wird Lewis aber enttäuscht sein.“
„Woher willst du das wissen?“
„Weil er vorhin auf der Ranch war und nach dir gesucht hat.“
Stöhnend meinte sie: „Das ist nicht dein Ernst, oder?“
„Doch, tut mir leid. Aber er fährt ein nettes Auto.“
„Wenn man auf Autos steht.“
„Du anscheinend nicht.“
Lächelnd antwortete sie: „Du hast doch gesehen, was ich fahre. Das ist nicht gerade ein toller Wagen. Was zum Teil an meinen finanziellen Möglichkeiten liegt, aber hauptsächlich etwas damit zu tun hat, dass ich mich nicht sonderlich für Autosinteressiere.“
„Ich fahre auch eher Laster.“
„Ist mir aufgefallen. Liegt wohl daran, dass du so viel mit Pferden zu tun hast. Auch wenn Khatar in einem BMW bestimmt gut aussehen würde.“
„Dann müsste es aber ein Cabrio sein“, erwiderte er augenzwinkernd.
Sie lachte. „Ich sehe ihn direkt vor mir, wie er mit allen Frauen flirtet.“ Langsam beugte sie sich vor und legte die Hände auf den Schreibtisch. „Ist Lewis wirklich bei dir vorbeigekommen?“
„Ja. Er dachte, du wärst auf der Ranch.“
„Er weiß doch gar nichts von den Reitstunden.“
„Hat wohl geglaubt, du würdest dort wohnen. Er schien ziemlich überrascht zu sein, als ich erwähnte, dass du auf Khatar reitest. Seiner Meinung nach bist du nicht unbedingt der Typ, der sich gern im Freien aufhält.“
„Tja, manchmal bin auch ich für eine Überraschung gut. Mir macht das Reiten Spaß.“ Sie zögerte. „War er sehr unhöflich?“
„Ging so. Er ist, sagen wir mal, ein wenig eingebildet.“
„So kann man es auch nennen.“ Einen Augenblick lang dachte sie an den Mann, mit dem sie verheiratet gewesen war. „Ich war noch ziemlich jung, als wir uns kennengelernt haben. Noch nicht so selbstsicher. Gerade fertig mit meiner Ausbildung. Meine Eltern waren nicht sonderlich warmherzig und fürsorglich, und ich hatte noch nie das Gefühl gehabt, irgendwo dazuzugehören. Als ich Lewis traf …“ Sie hielt inne, weil sie Probleme hatte, es zu erklären.
„Ein älterer Mann?“, mutmaßte Shane. „Charmant? Er hat dir Aufmerksamkeit geschenkt.“
Sollte sie jetzt erfreut oder entsetzt sein, dass Shane sie so schnell durchschaut hatte?
„Ja, damit hast du die Situation gut umrissen. Er hatte einen Gastvortrag am College gehalten. Ich saß im Publikum und fand ihn clever und witzig. Weil ich eine Einladung zu dem anschließenden Empfang erhalten hatte, bekam ich die Möglichkeit, ihm vorgestellt zu werden. Er lud mich auf einen Kaffee ein. Das war sehr schmeichelhaft.“
Mehr als schmeichelhaft. Damals war sie darauf gefasst gewesen, dass er gar nicht auftauchen oder vorher anrufen und erklären würde, dass es nur ein Witz gewesen sei. Aber er war gekommen, und er war interessanter gewesen als alle anderen Männer, die sie bis dahin getroffen hatte.
„Er war schon so viel gereist, und er schrieb Bücher.“ Sie lächelte. „Ich hatte Bibliothekarswesen als Hauptfach belegt, daher war es für mich natürlich extrem aufregend, einen Schriftsteller zu treffen. Er lud mich ein, und von da an nahm die Geschichte ihren üblichen Lauf.“
„Klingt ja auch ganz normal.“
„War es auch. Ich habe mich in ihn verliebt.“ Sie überdachte diese Aussage. „Nein. Ich habe mich in die Vorstellung, die ich von ihm hatte, verliebt. In den Mann, den ich gern in ihm gesehen hätte. In Wahrheit hat Lewis mich nie als wirklichen Menschen wahrgenommen. Für ihn war ich genauso ein Gegenstand wie eins der seltenen Buchexemplare, die er sammelte. Er wollte eine Frau haben, die attraktiv und klug war. Aber viel wichtiger war ihm noch, dass er jemanden hatte, den er kontrollieren konnte und der sich um ihn kümmerte.“
Reumütig senkte sie den Kopf. „Es war nicht nur seine Schuld. Auch ich trage Verantwortung dafür, dass unsere Ehe in die Brüche gegangen ist. Ich habe ihm nie gesagt, was ich wollte. Ich bin mir selbst nicht treu geblieben. Als ich schließlich endlich so
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