Stille Kuesse sind tief
sagte Rafe kurz darauf, als sie am Eingang standen und die Tickets vorzeigen mussten.
„Ich weiß gar nicht, wovon du redest“, beharrte Shane, während er seinem Bruder ins Stadion folgte.
„Also ehrlich, du benimmst dich wie ein Kleinkind. Annabelle. Ich rede von Annabelle. Die kleine Rothaarige, die dich dazu bringt, den Mond anzuheulen.“
Shane sah an ihm vorbei. „Komisch, ich habe so das Gefühl, als würde in meinem Kopf irgendwas summen. So wie eine lästige Fliege oder so.“
Rafe lachte leise. „Du kannst gern so tun, als wäre dir das alles egal, aber mir machst du nichts vor. Du bist sauer. Ich wollte dich ja nur darauf hinweisen, dass sie nichts falsch gemacht hat. Sie hat wirklich geglaubt, sie wäre geschieden, dass die Papiere rechtsgültig seien und alles erledigt wäre. Irgend so ein Anwalt in North Carolina hat es vermasselt. Das kannst du doch aber Annabelle nicht anlasten.“
„Erwähnte ich schon, dass ich darüber nicht rede?“, fragte Shane und überlegte gleichzeitig, warum Rafe diese Angelegenheit so wichtig war. Wahrscheinlich hatte Heidi ihn darauf angesetzt. Schließlich waren Heidi und Annabelle befreundet.
Dabei hatte er wirklich gerade angefangen, Annabelle zu vertrauen. Hatte sich eingeredet, dass sie, obwohl sie auf dem Bartresen getanzt hatte, kein Mensch war, der auf Dramatik stand. Er wusste doch schon, dass sie tatsächlich fünfzehn Minuten durchhalten konnte, ohne im Zentrum des Interesses stehen zu müssen. Aber kaum hatte er einmal nicht aufgepasst, schon tauchte ihr Ex auf und beharrte darauf, dass sie noch gar nicht geschieden waren.
Sein Instinkt sagte ihm, dass es okay wäre, dass er ihr vertrauen konnte. Aber sein Verstand erinnerte ihn daran, dass er schon einmal auf eine Frau hereingefallenwar.
Als sie jetzt das Stadion betraten, sah Shane sich um. Die Werbung an den Zäunen bestand noch aus ganz altmodischen Pappplakaten. Nur die Anzeigentafel für den Punktestand war elektronisch. Eine Handvoll von Ständen war an den Gängen zu den Sitzen aufgebaut, und ein älterer Mann in einem gelben T-Shirt verkaufte Programme.
„Da hinten“, sagte Rafe und deutete nach rechts.
Shane folgte dem Blick seines Bruders und sah eine Gruppe von Männern beisammensitzen. Ethan Hendrix winkte ihnen zu. Shane entdeckte Kent, der neben Ethan saß. Auch ein paar andere der Männer erkannte er. Josh Golden, der ehemalige Weltmeister im Rennradfahren, redete mit Raoul Moreno.
„Der Typ am Ende der Reihe ist Tucker Janack“, erzählte Rafe ihm. „Seine Firma baut das Kasino mit dem angeschlossenen Hotel etwas außerhalb der Stadt. Neben ihm sitzt Simon Bradley.“
„Ach ja, der Arzt, den wir getroffen haben, als Montanas Baby geboren wurde.“
„Der Mann an seiner anderen Seite ist Finn Andersson“, fuhr Rafe fort. „Cameron kennst du ja.“
Shane nickte dem Tierarzt zu.
Inzwischen waren sie bei den anderen angekommen, und es gab das übliche Händeschütteln und Schulterklopfen. Der Älteste der Gruppe war Max Thurman, der Freund von Denise Hendrix, der Mutter der Hendrix-Drillinge.
Shane fand einen Platz zwischen Cameron und Kent. Der Bierverkäufer wurde herangewunken, und fast kam es zum Streit zwischen den Männern, weil alle zahlen wollten. Shane lachte, als Raoul und Josh versuchten, sich per Armdrücken das Privileg zu sichern, die Rechnung zu begleichen, und vermutete, dass der Verkäufer mit fünfzig Dollar Trinkgeld zu seinem Stand zurückkehren würde.
Kent reichte ihm ein Bier. „Und? Hast du dich schon wieder gut eingelebt?“
Shane nickte. „Ich lasse auf dem Land, das ich gekauft habe, gerade ein Haus bauen. Bis es fertig ist, wohne ich mit meiner Mom, Glen, Heidi und Rafe auf der Ranch. Ist zwar ein bisschen überfüllt das Haus, aber es geht.“
Kent feixte, meinte dann aber: „Ach, ich sollte mich lieber nicht über dich lustig machen, Alter. Ich hab auch bei meiner Mom gewohnt, als ich hierher zurückgekehrt bin.“
„Wann war das?“
„Im letzten Jahr.“ Kent trank einen Schluck Bier. „Ich unterrichte Mathe an der Highschool von Fool ʼ s Gold.“
„Das glaub ich nicht. Ehrlich?“
Kent nickte und grinste. „Hätte ich auch nie im Leben für möglich gehalten. Aber auf dem College habe ich festgestellt, dass mir Mathe gut gefällt. Im Sommer, bevor ich ins fünfte Semester kam, habe ich in einem akademischen Camp für Teenager in Colorado gearbeitet. Das hat den Ausschlag gegeben. Als ich dann im Herbst zurück ans College
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