Stille Sehnsucht
allerdings leichter gesagt als getan, weil Niko im Fahrstuhl einfiel, dass er überhaupt nicht wusste, wo genau Tyler arbeitete. Stöhnend ließ er sich nach hinten an die Fahrstuhlwand sinken. Wenn Dummheit wehtäte, würde er nichts anderes mehr tun als schreien. Niko zog sein Handy aus der Hosentasche. Tyler konnte er nicht anrufen, sonst war sein Besuch keine Überraschung, also blieb nur einer. Nur war Adrian vermutlich gerade damit beschäftigt, zwischen Nick und Tristan zu vermitteln.
Niko wog sein schlechtes Gewissen einige Zeit gegen die Vorstellung ab, die nächsten Stunden irgendwo allein verbringen zu müssen und gab schließlich nach. Wenn er störte, würde Adrian den Anruf sowieso ignorieren. Niko war gerade ins Taxi gestiegen, um erst mal in sein Hotel zu fahren, da nahm der Anwalt ab.
„Hast du kurz Zeit oder ist es gerade ungünstig?“
„Du meinst wegen Nick und Tristan?“
„Ja.“ Niko verzog das Gesicht. „Ich störe tatsächlich, oder? Tut mir leid. Ich leg' sofort auf.“
„Nein, nein.“ Adrian lachte leise. „Trey spricht gerade mit Tristan und Nick sitzt neben mir und überlegt, ob er eine rauchen soll.“
„Nick raucht? Seit wann?“
Adrian seufzte. „Er raucht nicht.“
„Oh.“
„Was ist los, Niko?“
„Ich wollte eigentlich nur wissen, auf welchem Revier Tyler arbeitet?“
„Ist das wieder so ein Ding, wie mit seiner Nummer?“, fragte Adrian amüsiert. Niko seufzte, was den Anwalt wie erwartet zum Lachen brachte. „Ihr seid mir vielleicht ein Pärchen.“
„Ich weiß. Das Reden üben wir noch“, murmelte Niko verlegen und grinste schief. „Wir sind in solchen Sachen halt nicht so gut wie du oder David.“
„Das kommentiere ich jetzt lieber nicht“, sagte Adrian sehr leise und mehr zu sich selbst. Niko runzelte irritiert die Stirn, kam aber nicht zu einer Nachfrage. „Ihr schafft das schon, nehmt euch einfach genug Zeit. Wieso bist du eigentlich nicht mehr bei Mik und Colin? Ich dachte, ihr macht heute einen Familientag?“
„Hat Tyler das erzählt?“
„Nein, Tristan.“ Adrian schwieg kurz. „Zusammen mit anderen Dingen. Tattoos, Narben, Selbstmordversuche und solche Sachen.“
Bloß nicht kommentieren. „Wie geht’s denn Liam?“, wich Niko aus und überlegte gleichzeitig. Sollte er Adrian sagen, dass Nick und Tristan nicht die Einzigen waren, die im Moment ein paar Probleme wälzten? Nein, besser nicht. „Ist er auch bei euch?“
„Ja, ist er. Er liegt beleidigt nebenan im Bett und sieht sich irgendeinen Horrorfilm an. Niko, was verschweigst du mir?“
Verdammt, woher wusste dieser Kerl das immer? „Äh, nichts?“
„Willst du wissen, wo Tyler ist oder nicht?“
„Adrian! Das nennt man Erpressung.“
„Ich nenne es Informationsbeschaffung“, widersprach Adrian trocken und Niko verdrehte die Augen. So würde er nie erfahren, wo Tyler arbeitete. Sturköpfiger Anwalt, fluchte er im Stillen und gab dann auf.
„Wollten wir auch. Dann sind Dale und Kilian bei uns aufgetaucht, ich habe mich mit Kilian ausgesprochen...“
„Wurde auch Zeit.“
Niko ignorierte Adrians Einwurf. „Wir haben ein paar Runden Karten gespielt und Dale hat zufällig einen Satz fallen lassen. Von der Nacht letztes Jahr, nachdem Kilian entführt wurde. Irgendetwas ist dort vorgefallen und sie wollen es Kilian nicht erzählen. Also hat er ihnen damit gedroht, dich zu fragen, wenn sie es ihm nicht freiwillig sagen. Ich bin gegangen, damit sie reden können.“
„Ich rede später mit Kilian“, sagte Adrian, nachdem er sehr lange geschwiegen hatte. „Will er dir danach sagen, was los war?“
„Ja. Adrian, was...?“
„Nein, frag' nicht. Lass es dir von Kilian erzählen. Mir gefällt nicht, dass er davon erfährt, obwohl ich weiß, dass es richtig ist. Und jetzt fahr' zu Tyler. Ich schicke dir die Adresse per SMS.“
Adrian legte einfach auf und Niko sah überrascht auf sein Handy. Was für ein Staatsgeheimnis hüteten Adrian und die anderen nur? Niko war in jener Nacht selbst in Colins und Miks Haus gewesen und hatte rein gar nichts mitbekommen. Merkwürdig. Sein Handy piepte. Adrian hielt Wort, es war die Adresse. Niko änderte kurzerhand seine Pläne und entschied, gleich zu Tyler zu fahren.
Er hatte Glück, denn Tyler und Grace waren beide im Revier und nach einem Anruf des Beamten am Empfang, wurde Niko sogar zu ihnen durchgelassen. Grace lächelte ihm von einem völlig überfüllten Schreibtisch entgegen, während Tyler ihm einen mürrischen Blick
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