Stille Sehnsucht
zuwarf und sich wieder auf die Akte konzentrierte, die vor ihm lag. Niko war irritiert, bis Grace kopfschüttelnd lachte, sich gegen die Stirn tippte und dabei auf Tyler deutete. Niko verstand. Soso, Mister Superbulle ging es also gegen den Strich, dass er hier einfach ohne Aufforderung in seinem ganz persönlichen Revier auftauchte.
Ein bisschen konnte Niko Tyler sogar verstehen, denn die Blicke von allen Seiten, als er das Großraumbüro mit langen Schritten durchquerte, waren nicht gerade subtil. Trotzdem würde er sich nicht verscheuchen lassen. Tyler sollte sich ruhig daran gewöhnen, ihn hier zu sehen, da er nicht vorhatte, sich zu verstecken. Jedenfalls nicht auf Dauer. Niko hielt bei Grace an, die aufgestanden war, um ihn zu umarmen.
„Lass dich nicht ärgern“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Er ist schon so finster drauf, seit er Noahs Väter bei eurem Anwalt abgesetzt hat.“
„Hat er gesagt, wieso?“, flüsterte Niko zurück.
Grace löste sich von ihm, schüttelte nur den Kopf und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. Niko überwand die letzten Meter und blieb dann vor Tylers Schreibtisch stehen, der ihn stoisch ignorierte. Normalerweise hätte ihn das geärgert, aber heute war er nur amüsiert. Einen entsprechenden Kommentar verkniff sich Niko jedoch, da er seinen Bullen weder unabsichtlich outen, noch vor seinen Kollegen in Verlegenheit bringen wollte.
„Hast du kurz Zeit?“
„Ich muss arbeiten.“
„Das sehe ich“, meinte Niko, denn Tylers Schreibtisch war genauso voll wie der von Grace. „Nur fünf Minuten.“
„Kann das nicht warten?“, fragte Tyler brummig und warf ihm einen warnenden Blick zu, der Niko die Stirn runzeln ließ und ihm mächtig die Laune verhagelte, als er begriff, was dieser Blick bedeutete. Sein Bulle dachte scheinbar, dass er hier über ihre Beziehung reden wollte. Für wie unsensibel hielt Tyler ihn eigentlich?
Niko beugte sich über Tylers Schreibtisch, damit man sie nicht belauschen konnte. „Ich wollte dich und Grace zum Abendessen einladen, mehr nicht. Aber glaub' ruhig weiter, dass ich so bescheuert bin und durch dein ganzes verdammtes Revier brülle, was zwischen uns die letzten Wochen war. Manchmal bist du echt ein Arschloch.“
Tyler knallte den Kugelschreiber in seiner Hand auf den Schreibtisch und Niko machte wütend kehrt. Er kam bis zu Graces Schreibtisch, da packte Tyler ihn am Arm. Niko schüttelte nur den Kopf, als Grace mit alarmiertem Blick aufstand, und ließ sich dann von Tyler durchs Büro zerren. Vorbei an mehreren Beamten, die ihnen irritiert, amüsiert und vor allem neugierig nachsahen. Das würde für einigen Gesprächsstoff sorgen, aber daran war Tyler selbst schuld.
Niko schwieg, bis sein Bulle ihn in einen Raum ohne Fenster drängte und die Tür hinter sich zuwarf. „Wie viel wetten wir, dass gleich unzählige Ohren draußen an der Tür kleben?“, fragte Niko und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Tyler sollte nicht glauben, dass er ihm das einfach so durchgehen ließ. „Ich erwarte eine Entschuldigung von dir.“
„Wie bitte?“
„Dein Blick eben. Ich weiß genau, was du gedacht hast und ich will eine Entschuldigung dafür. Ich kann nichts für deine miese Laune und ich würde dich auch nicht vor deinen Kollegen verraten. Ich bin vielleicht ein Sturkopf, aber kein Vollidiot.“
Anstatt sich zu entschuldigen oder ihm zu antworten, packte Tyler ihn an beiden Oberarmen und schob Niko durch den Raum an die gegenüberliegende Wand, um ihn dort mit seinem Körper festzunageln und wütend auf ihn hinunter zu sehen. „Niemand wird sich trauen, uns zu belauschen.“
„Und woher nimmst du diese Weisheit?“
„Weil ich dem letzten Lauscher die neugierige Fresse poliert habe, als ich mich hier mit Grace gezofft habe.“
Das wunderte Niko nicht sonderlich. Er sah sich um. „Was ist das hier eigentlich?“
„Aufnahmeraum für Befragungen.“ Tyler drehte sein Gesicht zu sich. „Was sollte das da draußen eben?“
„Das fragst du mich nicht ernsthaft, oder?“ Niko warf Tyler einen finsteren Blick zu und riss sich von ihm los. „Ich habe dir gesagt, weshalb ich hergekommen bin, das war die Wahrheit. Aber du musstest ja gleich annehmen, dass ich da bin, um über unsere Beziehung zu reden. Vor all deinen Kollegen. Als ob ich so ein Mistkerl wäre. Aber vielleicht sollten wir uns das mit der Beziehung noch mal in Ruhe überlegen.“
„Gar nichts werden wir!“
„Mann, Tyler, was ist denn auf einmal mit dir
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