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Stillmanns Münzen (German Edition)

Stillmanns Münzen (German Edition)

Titel: Stillmanns Münzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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kam, dann wechselte ich die Straßenseite und schloss die Haustür zur Nummer fünfzehn auf. In meiner Wohnung fühlte ich mich sicherer, auch weil ich die Kette vor das Schloss hängte und abschloss. Ich schaute Filme, bis ich am Abend ihre Nummer wählte, gegen halb zehn. Meine Erlebnisse fühlten sich an wie eine Geschichte, die jemand anderes erlebt und mir davon berichtet hatte. In dieser Distanz konnte ich ihr davon erzählen.
    Ihre Stimme zu hören, schon das ,Hallo' nach dem Abheben, beruhigte mich. Ich erzählte sogar von Michaels Geschichte und ihren unheimlichen Parallelen zu dem, was ich erlebt hatte.
    „Du bist ihm auf die Spur gekommen“, bestätigte sie meine Ängste, „vielleicht sollten wir es lassen. Wenn etwas passiert, sind wir vorbereitet, auch wenn wir nicht wissen, auf was.“
    „Da hast du wohl recht.“ Es fiel mir schwer, meine Enttäuschung zu verbergen. Auch wenn ich ängstlich war, so fand ich es doch aufregend, mit ihr zusammen in der Geschichte zu stecken. Und jetzt sollte es vorbei sein?
    „Hast du vor, Michaels Geschichte aufzuschreiben? Ich würd's gerne lesen, wenn's fertig ist.“
    Ein kleiner Trost. Nicht nur, weil ich mir vorstellte, wie wir uns dann privat treffen würden, um über mein Schreiben zu sprechen, sondern auch, weil ich nicht der Einzige auf unserer Arbeit bin, der schreibt. Und wenn sie etwas von mir lesen würde, bekäme ich das absurde Gefühl, dass es doch nicht ganz so sinnlos war. Dieses, mein Leben.
    Am liebsten würde ich ihr zeigen, was ich heute Nacht geschrieben habe. Wie die einzelnen Puzzleteile ineinander passen, und welche Rolle sie dabei spielt. Welche Schlüsselrolle. Aber jede Geschichte braucht auch ein Ende, und bevor ich die fünfzig Seiten in diesem Heft abtippe, sollte ich noch berichten, was heute geschah. Eher gestern, am Donuttag. Es muss ein Donuttag sein, auch wenn er bei mir ein Donnerstag war. Die Beziehung zu ihr hatte sich nach dem Telefonat wieder veralltagt. Sie verlor kein Wort über unser Gespräch. Auf dem Flur gab es nur flüchtige Begrüßungen, als hätte nichts tatsächlich stattgefunden. Nur in meinem Kopf.
    Es war eine halbe Stunde vor dem ,Main Walk'. Die meisten machten Pause und ich stand mit einem Kollegen beim Einlass, der in die Lektüre einer dieser nichtssagenden Zeitschriften vertieft war. Ich starrte Löcher in die Luft, bestimmt dachte ich an Michaels Geschichte, als ich ihre Bewegungen aus den Augenwinkeln wahrnahm. Sie war mit dem Fahrstuhl nach oben gekommen, dann aber nicht, wie sonst, abgebogen, den Flur entlang zum Aufenthaltsraum. Nein, sie war auf dem Weg zum Einlass, mich im Blick. Sie ging schneller, noch immer anmutig, aber irgendwie hektisch. Sie musste mir Dringendes mitzuteilen haben, kein Zweifel.
    „Kommst du mit zum Supermarkt?“, fragte sie. Diese Hitze stieg wieder in mir auf. Ich glaubte, rot zu werden. Wenigstens achtete mein Kollege nicht auf uns. Ihm war alles gleich und die substanzlosen Geschichten irgendwelcher Prominenten waren so viel außergewöhnlicher als das, was mir gerade geschah. Aber ich wollte jetzt mit niemandem tauschen. Wie in Trance folgte ich ihr zum Fahrstuhl.
    „Er ist hier“, sagte sie und drückte den Knopf für das Erdgeschoss.
    „Wen meinst du?“, fragte ich. Ja, in diesem Augenblick dachte ich an gar nichts mehr. Ich stand ihr so nah und ihre Augen blinzelten mich an. Sie duftete nach Duschen und Waschmittel, nach Freiheit.
    Sie hob ihre Augenbrauen und grinste.
    „Wen meine ich wohl? Den hageren Mann, der Architekt, oder Stillmann, wie du ihn nennst. Er hat bei mir gerade ein Ticket gekauft. Ein Ticket! Er geht allein. Und du musst ihn reinlassen.“ 
    „Woher weißt du, dass er es ist? Du hast ihn doch nie gesehen.“ Sie stupste mich gegen die Schulter.
    „Er sieht genauso aus wie auf dem Foto, das ich dir ausgedruckt habe. Haar-genau-so! Verstehst du?“
    Endlich realisierte ich, worauf sie hinaus wollte, und sagte ,Fuck'. Stillmann war hier. Er war meinetwegen hier, was sonst? Er hatte mich gefunden, was nicht schwer war. Ich fuhr fast jeden Tag hierher.
    „Du sagst es. Ich hoffe, du hast heute keine Donuts gekauft.“
    „Nein“, sagte ich, „das ist doch nur eine Geschichte.“
    Während wir redeten, waren wir im Erdgeschoss angelangt, hatten aber nicht den kleinen Flur verlassen, um zum Supermarkt zu gelangen. Ich musste Stillmann sehen. Wenn er in diesem Moment bei uns im Foyer war, dann musste ich mich davon überzeugen, dass alles nur

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